Andreas Quenstedt, GF Deutscher Reisering

Gewillkürtes Bös-Deutsch
Pauschalreise zwischen Verbrauchern und Juristen

Für den Duden ist es klar: wenn jemand Willkür walten lässt, dann deshalb, um die allgemein geltenden Maßstäbe, Gesetze, die Rechte und die Interessen anderer zu missachten, um ein an den eigenen Interessen ausgerichtetes und die eigene Macht nutzendes Handeln zu ermöglichen… Uh…, böse TUI…

Irgendjemand in der Reisebranche muss sich maßlos geärgert haben, als die TUI im Frühjahr mit der Idee auf den Markt kam, auch Einzelleistungen wie Hotels oder Mietwagen mit einem umfassenden Servicepaket zu verknüpfen, sodass aus dem Baustein eine quasi kleine Pauschalreise wurde. 

Aus Verbrauchersicht eigentlich eine wunderbare Sache. Denn so bekommt er auch bei einer nur  Hotelbuchung ganz fern der Heimat dieselben Rechte, als wenn dieses Hotel Bestandteil einer klassischen Pauschalreise gewesen wäre.

Und für Reisebüros ist es theoretisch auch eine Steilvorlage. Wenn sie, so das Kalkül der TUI, auf Kundenwunsch individuelle Bausteine verkaufen sollen, hätten sie über diese Hintertür etliche Haftungsfragen vom Hals.

Man kann sich vorstellen, wie diese Ankündigung bei den Mitbewerbern und auch Internetportalen hinter den Türen zu Wutausbrüchen geführt hat. Ähnlich, wie vor Jahrzehnten, als Karl Born als TUI-Chef auf die Idee mit dem inkludierten „Zug zum Flug“ Ticket kam. Großes Gejammere damals, da würde jemand der Branche einen Dolch in den Rücken stoßen… 

Nun ja, wir wissen alle, es kam anders. Und auch dieses Mal, halb zog man sie, halb fielen sie hin, folgten die wesentlichen Veranstalter sehr schnell widerstrebend dem Vorbild aus Hannover.

Ich formulierte zwar schon in der Pressekonferenz Anfang Mai Bedenken, ob ein Service-Paket tatsächlich eine eigenständige Komponente sein könnte – aber warum nicht? Solange es dem Kunden nützt und nicht extra bezahlt zu werden braucht…

Nun wäre es schon interessant, zu wissen, wer danach das verächtlich machen sollende Bös-Deutsch-Wort von der gewillkürten Pauschalreise in Umlauf brachte. Er oder sie war sicher kein Freund des Konstruktes. Denn auf einmal bekam das – natürlich nicht ganz uneigennützige – „Geschenk“ ein Geschmäckle. Wer mag sich schon gerne Willkür aussetzen? Vor allem, nachdem die Jeanne d’Arc der Reisebüros und ihr VUSR nicht nur blumige Marketingworte hören wollte, sondern eine bedingungslose Haftungsübernahme forderte im Falle eines Falles, dass das Produkt mehr verspricht, als es kann.

Das war wohl das Startsignal vor allem für die Wettbewerber, die ungeliebte Aktion sturmreif schießen zu wollen. Da wurden schnell Gegen-Gutachter gesucht, Politiker instrumentalisiert, Bundes-Juristen eingeredet, da wolle jemand ihr mühsam zusammen geklöppeltes Gesetz unterlaufen, da protestierten Reisebüro-Organisationen, weil ihr vorher teuer zusammen gekauftes Servicepaket für die Partner-Reisebüros auf einmal an Attraktivität einbüßte, und die Internet-Verkäufer machten aus ihrer generellen Ablehnung, die ihnen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Stationären Vertrieb beschert hatte, kein Geheimnis – in bester Lobbyisten-Manier.

Und nun? Nichts Genaues weiss man nicht. Es ist, wie so häufig: drei Juristen, fünf Meinungen. Und die Reisebüros mitten drin. Ich hatte nun Gelegenheit, mit Andreas Quenstedt zu sprechen, dem Geschäftsführer des Deutschen Reiserings. Es ist ein eher kleinerer Zusammenschluss von Reisebüros, aber gerade deshalb. Denn die Mitglieder des Reiserings sind die klassischen Mittelständler, viele, gerade im Osten Deutschlands, Einzelkämpfer. Sind diese Individualisten besonders betroffen? Und wie ist die Stimmung am Counter? Reden wir hier über künftige Essentials, oder ist es eine Debatte, die beim Gespräch mit dem Kunden gar nicht mehr ankommt?

Das Interview mit Andreas Quenstedt hören Sie, wenn Sie den Play-Button im Portraitbild klicken.

 

 

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