Marek Andryszak, CEO TUI Deutschland

Kunden permanent ansprechen
TUI CEO kündigt Digital-Offensive an

Einige dachten vor einem Jahr, beim ersten Auftritt von Marek Andryszak als neuem CEO der TUI Deutschland, wow!, der Tingeltangel-Bob der Touristik (smile, beim Anschauen der Simpsons kommt mir einfach immer diese Assoziation…) hat ja ein sehr gesundes Selbstbewusstsein. Und das nach Sebastian Ebel, der ja nun auch nicht gerade im Ruf steht, ein schüchternes Mauerblümchen zu sein 🙂 

Der Schlachtruf auf jeden Fall, massiv wachsen zu wollen im deutschen Quell-Markt, erstaunte nicht wenige Beobachter. Schließlich ist unser Veranstalter-Markt eine ziemlich träge Masse, die vom Gesamtvolumen her auch seit Jahren nahezu unverändert bleibt. Es sterben Kunden weg, es kommen Kunden nach. Da gibt es wenig Spielraum bei der Akquise. Jedes Wachstum geht also auf Kosten der Mitbewerber. Das ist schon ein sportlicher Vorsatz.

Und nun, Trommelwirbel… Innerhalb von einem Jahr wächst der Marktanteil der TUI am deutschen Veranstaltermarkt von 23 Prozent auf 29 Prozent. Sechs Prozent in 12 Monaten? Wie ist das möglich? Gut, Marek Andryszak und sein Team machen sicher einen hochprofessionellen Job. Das wird niemand in Frage stellen. Aber so schlecht können die Mitbewerber doch gar nicht sein.

Des Rätsels Lösung liegt wieder einmal in der Statistik. Die GFK, die die Daten erhebt, hat Asche auf ihr Haupt gestreut. Die Datenbasis wurde umgestellt und jetzt direkt bei den Mid-Office-Systemen angedockt. Also wurde viel präziser eruiert, bei welchem Veranstalter welche Buchung auflief. Ein Schelm, der denkt, Marek Andryszak wußte schon vor einem Jahr, dass die GFK ihm dieses „Geschenk“ machen würde, als er sich so sehr aus dem Fenster lehnte 🙂

Anyway, 29 Prozent sind kein Ruhekissen, und weiteres Wachstum muss nun aus eigener Anstrengung generiert werden. Zwei Herausforderungen sind da die nächsten Hürden: erstens, wie komme ich an die Millenials, die, so kolportiert man ja immer, Reisebüros und Veranstalter generell schnarch finden…? Zweitens, hängt auch damit zusammen, wie kann ich Buchungswege installieren, die die Touristik endlich zukunftsfähig machen?

Bei den „jungen Leuten“ ist es vor allem die Ansprache und der Weg der Buchung. Ob eine Seite sich im Webbrowser des Smartphones nach zwei Sekunden aufgebaut hat, oder erst nach sechs, mag man eher philosophisch ansehen, aber real macht es in der schnelllebigen Welt anscheinend einen entscheidenden Unterschied. Ob man nach dem Finden des Urlaubswunsches ganz schnell abschließen kann, nur durch Eingabe der Telefonnummer und der Mailadresse, oder ob man erst ellenlange Adressfelder komplettieren und zig Häkchen an Erklärungen setzen muss – auch das könnte Akzeptanz signifikant verändern.

Das sind die Aufgaben eines CEO, hier die Experten aus der IT mal von der Leine zu lassen, und das gute touristische Produkt auch mal auf weniger tradierten Vertriebswegen anzubieten.

Und damit sind wir bei Punkt zwei. Denn nicht nur die noch unterrepräsentierten Jungen sind eine Herausforderung. Die Touristik ist im Vergleich zu anderen Konsumgüter-Branchen noch im Handelstechnischen Mittelalter. Der Stationäre Vertrieb kann sich in weiten Teilen noch nicht so recht aufraffen, proaktiv auf seine Kunden zuzugehen. Ihnen also permanent Angebote zu machen, möglichst maßgeschneidert auf ihre Wünsche, die man bei einer gut gepflegten Datenbank eigentlich wissen sollte. Da ist man immer noch Universen entfernt von den „neuen Playern“ am Markt, die ganz ungeniert Daten konsolidieren und Amazon-mäßig dem einmal erfassten Kunden permanent die leckere Möhre vors Maul halten.

Und die Veranstalter tun sich traditionell noch schwer, da mit wehenden Fahnen voran zu schreiten. Zu groß die Angst vor dem Unmut und dem Liebesentzug der Vertriebspartner. Jede Aktion muss so gestaltet werden, dass die Reisebüros sie nicht als Abwerben ihrer Kunden missverstehen. Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass allein der Kunde entscheidet, wo und wie er seine Reise bucht. 

Der TUI CEO, davon kann man ausgehen, wird sich von diesen Fesseln zunehmend befreien wollen und müssen. Direkte Kundenansprache mit der Datenmacht und der Marketing-Power, die nur ein Veranstalter hat. Mit Einladung an die Reisebüros, hier mitzuziehen bei der Betreuung der neu gewonnen Kunden. 

Nur so wird die 30-Prozent-Marke zu knacken sein. Das passive Warten auf den Kunden hat ein Ende.

Das Hintergrund-Gespräch mit Marek Andryszak können Sie durch Klick auf den Play Button im Bild hören.

 

 

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