Der Tegernsee vom Wallberg aus gesehen © Envato

Tegernsee – die schönste Badewanne Bayerns
Waldbaden, Wanderlust und Wellness - den See neu entdecken

Es gibt Seen, an denen man zwangsläufig zur Ruhe kommt. Und es gibt den Tegernsee.

Ein Bilderbuch aus bayerischem Klischee, das sich hartnäckig weigert, ironisch gelesen zu werden. Türkisgrün glitzert das Wasser an schönen Tagen, als hätte ein Instagram-Filter den Himmel verschluckt und unten wieder ausgespuckt. Dazwischen in der Hauptsaison: Einige Boote, wie vom Landschaftsmaler arrangiert, und Menschen, die aussehen, als hätten sie eine Trachten-Ausstellung überfallen – in sehr teuren Schuhen.

Man darf nicht vergessen: Der Tegernsee war schon mondän, als „Wellness“ noch „Moorbad“ hieß. König Max I. Joseph war einer der ersten, der sich hier zur Sommerfrische einquartierte. Damals kamen Leute wegen der Luft – heute kommen sie auch wegen der Luft, aber noch mehr wegen des Lifestyles.

Die Touristenflut hat freilich etwas Zweigeteiltes. Vormittags wandert man mit ambitionierter Miene zur Neureuth hinauf, oder zumindest nach Siebenhütten oder die Aibl, oder Königs-Alm – „wir machen das jedes Jahr“ –, nachmittags sitzt man bei „Egerner Bierschaum“ und bayerischen Tapas im Sternerestaurant und behauptet, man sei „ganz nah bei sich selbst“. Der Tegernsee ist ein Ort, an dem das „Ich“ sehr viel Raum braucht – am liebsten mit Seeblick und Parkplatz.

Der „andere“ Tegernsee: Genuss wandern

Aber man darf nicht spotten – oder zumindest nicht zu laut. Denn bei aller Selbstinszenierung bleibt der Tegernsee ein echtes Naturwunder. Zwischen dem knallblauen Himmel und den saftiggrünen Bergen liegt eben ein See, der sich selbst genügt – und das auch weiß. Wer Glück hat, erwischt einen Moment ohne Selfiestick in Sichtweite, in dem das Wasser still liegt und sogar die Berge den Atem anhalten. Dann ist der Tegernsee plötzlich ganz still. Und vielleicht – aber nur ganz vielleicht – doch ein Ort zum Runterkommen.

Es ist so. Wer glaubt, der Tegernsee bestehe nur aus teuren Spas und edlen Restaurants, der hat noch nicht das andere Gesicht dieses Sees kennengelernt – dasjenige, das jenseits der Sterne-Resorts und Golfplätze in den sanften Hügeln, dichten Wäldern und klaren Bergseen liegt. Hier, im „grünen“ Tegernsee, beginnt das Erlebnis des Wanderns und Fahrradfahrens – nicht als sportliche Herausforderung, sondern als Genuss. Der Weg ist das Ziel, wie es die einheimischen Bergbauern wohl schon vor Jahrhunderten wussten.

Die Region lockt nicht mit extrem anspruchsvollen Trails, sondern mit einer Vielzahl von Wegen, die im Rhythmus der Natur das Tempo vorgeben. Der Wanderer findet hier das, was der alte Hermann Hesse einmal als „Wanderlust“ bezeichnete: ein Verlangen nach einem „Gehen ohne Ziel“, einem Entschleunigen, das mehr ist als nur körperliche Bewegung. Im Frühling, wenn die Apfelbäume in voller Blüte stehen und der Duft von frischem Gras die Luft füllt, erscheinen die Wanderwege wie eine Einladung zum Nachdenken – oder einfach zum Sein.

Auch das Fahrrad hat hier einen festen Platz. Der Tegernsee-Radweg, der sich rund um den gesamten See zieht, ist ein Paradies für Genussradler. Leicht bergauf und bergab, stets mit Blick auf das funkelnde Wasser, fährt man fast wie in einem Bild aus einem alten Postkartenalbum. Pausen gibt es an jeder Ecke: In einem gemütlichen Gasthof, in dem der Kaiserschmarrn fast genauso köstlich ist wie der Blick auf den See. 

Und auch das Waldbaden, die Praxis des achtsamen Gehens und Innehaltens im Wald, hat hier eine besonders tiefe Tradition – wenn auch jetzt erst von „Gesundheitsgurus“ aus dem Fernen Osten in die westliche Welt getragen. In Tegernsee fühlt sich diese Praxis jedoch fast wie ein heimischer Brauch an.

Gertraud Gruber und die Schönheitspflege

Nicht nur die Natur hat hier Geschichte geschrieben, auch der Begriff „Wellness“ nahm in den 1950er Jahren am Tegernsee seine moderne Gestalt an – und zwar durch eine Frau, deren Vision die Kosmetikbranche revolutionierte: Gertraud Gruber. 1955 gründete sie in Rottach-Egern, am westlichen Ufer des Tegernsees, die erste Schönheitsfarm Europas, ein Pionierprojekt, das nicht nur den Wellness-Tourismus in der Region, sondern weit darüber hinaus prägen sollte.

Gruber war eine wahre Vorreiterin. Ihre Philosophie, Schönheit als ganzheitliches Konzept zu begreifen, das Körper, Geist und Seele vereint, war zu dieser Zeit absolut bahnbrechend. In den 60er und 70er Jahren wurde die Gruber Schönheitsfarm rasch zum Hotspot für Prominente und Wohlhabende, die die exklusive Atmosphäre und die revolutionären Behandlungen suchten. Filmstars, Musiker, Politiker und auch Royals, die das Geheimnis der außergewöhnlichen Pflegekunst von Gertraud Gruber entdecken wollten, reisten aus der ganzen Welt an. 

Doch trotz des Glamours und der Prominenz, die der Tegernsee in dieser Zeit anlockte, blieb die Philosophie Grubers immer bodenständig: Schönheit und Gesundheit waren für sie kein Luxus, sondern eine Form der Selbstpflege, die jede Frau verdiente.

Im Laufe der Jahrzehnten wandelte sich die Ausrichtung ihrer Schönheitsfarm. Was ursprünglich als exklusiver Ort für die High Society begann, öffnete sich immer mehr für ein breiteres Publikum. Der Fokus verschob sich von einer Promi-Ansammlung zu einem Wellness-Retreat für Frauen aller Altersgruppen und aus allen Lebensbereichen.

Der Brandner Kaspar und das literarische Denkmal

Der Tegernsee ist jedoch nicht nur der Inbegriff von Wellness und Naturgenuss, sondern auch ein zumindest Heimat-literarisches Denkmal. Der aus München stammende Dichter Georg Friedrich Kobell schrieb 1852 die „G’schicht vom Brandner Kaspar“. Der Brandner Kaspar, der vielleicht bekannteste „Bayer“ nach Ludwig II., ist ein Hallodri, ein verwegener, lebenskluger Mann, der im Alter das Leben feiert und dem Tod ein Schnippchen schlagen möchte. 

Kobells Werk, in dem der Brandner Kaspar mit dem Tod einen Deal macht, spielte sich nicht nur in der bayerischen Folklore ab, sondern ergriff die tieferen Themen von Menschlichkeit, Tod und dem Streben nach Freiheit. Die Figuren sind tief verwurzelt in den dörflichen Erzähltraditionen des Tegernseer Tals. Und wer mag, kann auch heute noch auf den Spuren der G’schicht unterwegs sein.

Der Moment der Stille

Die berühmte bayerische Ruhe ist hier ein Luxus, der sich nur allzu oft im Trubel der Moderne verliert. Aber vielleicht ist das der wahre Zauber dieses Ortes: der Widerspruch zwischen der äußeren Fassade von Luxus und der stillen Magie, die man nur dann erfassen kann, wenn man das Tempo der Zeit ein wenig verlangsamt – etwa beim Wanderer, der eine kommode Höhe erklimmt, oder beim Radfahrer, der über den Panorama-Uferweg des Sees gleitet.

Die Frage bleibt also: Ist der Tegernsee ein Ort des Society-Schaulaufens, der Erholung, des Genusses, oder ein Fluchtpunkt aus dem Alltag? Oder – vielleicht – ist er von allem etwas.

In meinem großen Film-Feature über den Tegernsee habe ich mich vor allem auf diesen Aspekt konzentriert der Natur und der Entspannung abseits all des Bling-Blings, das ja auch seinen Platz hat. Lassen Sie sich inspirieren von der schönsten Badewanne Bayerns.

Um den Film zu sehen, bitte den PLAY Button im Titelbild klicken.

 

Hilfreiche Links zu den Geschichten im Film:

Tegernsee Tourismus

Wallberg-Bahn 

Schifffahrt Tegernsee 

Webermohof Bauernhof mit B&B 

Pferdeschlitten-Fahrt 

Königsalm 

Schwarzentenn Alm 

Tegernseer Höhenweg 

Aibl Alm 

Fischerei Tegernsee 

Trachten Winkler 

Gumpen – Wanderung 

Malerblicke per Rad 

Naturkäserei Tegernseer Land 

Jodschwefelbad 

Monte Mare Seesauna 

Museum Tegernseer Tal 

Brandner Kaspar Führung 

Gschicht vom Brandner Kaspar 

Waldbaden 

Schönheitsfarm Gertraud Gruber