
Es war natürlich nur eine Petitesse, die so mancher kleiner Verein derzeit auch erlebt, der neue Wege der Kommunikation und Mitglieder-Beteiligung ausprobiert zum Beispiel bei Abstimmungen: nicht mehr mit Zettelchen, sondern „ganz modern“ mit Software. Man will ja ein gutes Signal setzen in Richtung Digitalisierung. Und dann bricht bei der Premiere alles zusammen.
Diese bittersüße Erfahrung musste auch der DRV machen; wenige Minuten, nachdem der Haushaltsbericht abgenickt war mit dem stark gewachsenen fünfstelligen Posten für digitale Transformation… Nix mehr mit „just a finger-tipp“. Ausgerechnet die Wahl des neuen Präsidenten /der neuen Präsidentin machte unfreiwillig deutlich, dass es vom Mindset her mehr bedarf, als sich in Reden für die Digitalisierung des Reise-Geschäfts zu öffnen.
Es ist, wie gesagt, eine Petitesse. Aber sie ist nach außen ein klein wenig peinlich, weil zum ersten Mal seit langem (das einzige Mal, an das ich mich erinnern kann, war Agadir, wo Jürgen Büchy mit Jürgen Marbach einen Gegenkandidaten hatte) drei Kandidaten zur Wahl standen mit im Vorfeld medial aufgeblähtem Konfliktpotential.
Es war zum Glück und nach langem Auszählen aus den herum-wandernden Silberkühlern ein klares Votum und kein Photo-Finish, wie manche frühzeitig Glauben machen wollten. Albin Loidl konnte 87,12 Prozent der abstimmenden DRV-Mitglieder für sich überzeugen. Allein das machte – vor allem vor dem Hintergrund der mageren 9,84 Prozent für Marija Linnhoff und der atomisierten 0,33 % für Benjamin Bindewald – deutlich, dass die DRV-Mitglieder sich erst mal wieder nach „Ruhe im Karton“ sehnten. Veränderung ja, aber bitte im breiten Konsens und Schrittchen für Schrittchen in der Positionierung zu den neuen Herausforderungen der Industrie.
Das mag von außen ein wenig mutlos erscheinen. Zumal, wenn man sich an die letzten Monate zurück erinnert, mit welchem Verve (aber wenig Sachverstand) da dem verdienten Präsidenten Norbert Fiebig aus den unterschiedlichen Ecken vorgeworfen wurde, er stünde für die alte DRV-Zeit, und sei Konfliktscheu, die überholte Säulenstruktur mutig einzureissen und den Verband für die neuen, und in der Zukunft wahrscheinlich wesentlichen, Player zu öffnen. Nicht verschämt assoziiert, sondern mit allen Rechten und Pflichten.
Gerade Marija Linnhoff, die kämpferisch und Mauer-stürmend für eine – allerdings ganz andere – Veränderung ihren Fehde-Handschuh frühzeitig geworfen hatte, blieb erstaunlich blass bei ihren 5 Minuten Vorstellungszeit. Das war nicht nur schwach, das war fast schon unwürdig gegenüber den versammelten Mitgliedern. Nach Monaten des Frontalangriffs auf den Präsidenten den Mitgliedern nicht mehr Gründe zu liefern, als eigen-postulierte gute Charakter-Eigenschaften und den Slogan, den DRV zu einem stolzen Outgoing Verband umbauen zu wollen… – das mag vielleicht für den VUSR ausreichen, aber nicht für den stolzen DRV. Die einzige Entschuldigung könnte sein, dass sie entweder schlecht beraten wurde in ihrem Umfeld, oder dass sie bereits im Bewusstsein nach Berlin reiste, sie habe die Sache unumkehrbar verloren. Aber selbst dann, sollte man denken, wirft man doch nicht die Chance weg, vor dem wichtigsten Verbandsgremium in der Reisewirtschaft ungestört die eigene Agenda auszubreiten, die ja durchaus diskussionswürdige Einzelpunkte enthält.
Hinterher trotzig zu sagen, man hätte doch schon alles auf dem fvw-Kongress (sic!) gesagt, hat ungefähr dieselbe Sprengkraft, als wenn ein politischer Kandidat auf dem Parteitag meint, er habe alles schon bei Carmen Miosga erzählt. Und man solle gefälligst das Kreuzchen machen…
Anyway. Benjamin Bindewald soll hier kein Thema sein. Privat sicher ein netter Mensch, aber, wie man mit so viel Selbstüberschätzung und mangelndem Verbands-Wissen denkt, ein akzeptierter Sparrings-Partner für die Politik zu sein, das führt wahrscheinlich schnell in die Gedanken-Blase der „anything goes“ new economy.
Nun also Albin Loidl. Ein honoriger Mann. Keine Frage. Und einer, der die Touristik aus den verschiedensten Blickwinkeln kennt. Präziser: aus den tradierten. Er kommt – wie es so schön heisst, aus der Mitte der Touristik. Und möchte alles dafür tun, dass wieder Sachfragen im Mittelpunkt der Verbandsarbeit stehen, und nicht (persönliche) Animositäten.
Für den Augenblick ist das gut. Denn der von Marija Linnhoff initiierte „Weckruf“ hat als Ergebnis sehr viele Wunden auf mancher Seele hinterlassen. Vor allem auf der des scheidenden Präsidenten Fiebig. Das erkannte auch der Verbandstag und überschüttete die 12 Jahre führende Nummer Eins, den CEO-Präsidenten, wie es Ex-Geschäftsführer und Buddy Dirk Inger in seiner launigen Laudatio sagte – mit Respekt und Dank. Norbert Fiebig, der eigentlich nichts mehr hasst, als öffentliche Gefühls-Duselei, wollte zwar cool bleiben („als langjähriger Messdiener weiss ich, zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen…“) hatte aber doch während der vielstimmmigen Lobhudelei und den vielen Standing-Ovations feuchte Augen. Jetzt hat er für die Schleiflack-Kommode daheim einen Glaskasten des ägyptischen Tourismus-Ministers mit Tutanchamun Totenmaske, eine Bleiglaskugel als Manifestierung des Ehrenpreises des gesamten Tourismus-Ausschusses des Bundestags, und den Titel Ehren-Präsident – den er sich allerdings mit Klaus Laepple teilen muss.
Mit etwas Abstand wird Norbert Fiebig merken, wie wunderbar es ist, als Ehrenpräsident nur noch der wohl gelittene Grüß-August zu sein eines Verbandes. Ich kann da aus eigener Erfahrung als Ehren-Präsident des Reisejournalisten-Verbandes VDRJ sprechen. 😉
Für Albin Loidl fängt die weniger Genuss-orientierte Arbeit allerdings am Montag an beim Antrittsbesuch in der DRV-Geschäftsstelle in Berlin. Mit Achim Wehrmann hat er zwar einen hoch-kompetenten Hauptgeschäftsführer. Und auch das gesamte Team wird mit ihm als Präsidenten an Bord bleiben. Aber die Herausforderungen, die – und das muss man durchaus auch Marija Linnhoff zurechnen – jetzt schneller auf Lösungen pochen, als es ein behäbiger Tanker, wie der DRV normalerweise angehen würde – machen ein Führungsamt nicht zum Vergnügen. Die vielen Partikular-Interessen können auch den gutmütigsten Menschen schneller aufreiben, als man denkt.
Der DRV wird künftig noch stärker von zwei Seiten bedrängt. Marija Linnhoff hat schon mit durchaus drohendem Unterton angekündigt, jetzt nach der Wahl würde sie alles dran setzen, dass der VUSR sich auch für Nicht-Reisebüros öffnet als Vollmitglied. Vor dem Hintergrund der von ihr immer betonten freundschaftlichen Verbundenheit mit der TUI ist das natürlich ein Affront gegenüber den Bemühungen im Hintergrund, der TUI deutlich zu machen, dass sie als größter Veranstalter unbedingt auch beim größten Verband angedockt sein muss.
Und all die „neuen“ digitalen Player werden sich zunehmend fragen, wo sie besser aufgehoben sind: im DRV in der etwas unglücklichen Säule E, oder im V-I-R, in dem man unter sich ist und sein Geschäftsmodell nicht dauernd anderen Mitgliedern gegenüber verteidigen muss.
Das also wird die größte Leistung sein müssen für Albin Loidl, hier im Präsidium die Weichen für eine Offenheit zu stellen und davon auch die Mitglieder zu überzeugen. Man sagt ihm nach, er sei ein Menschenfänger. Zur Zeit ist es das Beste, was dem DRV nützt.
Sich selbst Mut-bildend zuzuprosten, das zumindest ist gewährleistet. Marija Linnhoff hat nach der Wahl eine Art Friedensangebot gemacht – mit einem guten Sliwowitz aus ihrer Heimat.




