Von allen Industrien ist die touristische vielleicht die angenehmste – jetzt mal aus politischer Perspektive betrachtet. Schließlich hat man es mit Menschen zu tun, deren Lebensaufgabe darin besteht, es anderen Menschen „schön“ zu machen. Gepaart mit guten Umgangsformen – auf dem BTW-Gipfel wird auch dem politischen Gastredner dann noch höflich applaudiert im adretten dunklen Business-Outfit, wenn der Inhalt des Gesagten absoluter Schmarrn ist und deutlich macht, dass die Politik die Probleme der Branche auch nicht ansatzweise verstanden hat – und diversifizierten Meinungen der unterschiedlichen Interessen auf dem Markt, ergibt sich da im Politiker-Kopf schnell eine beruhigend grüne Hinweislampe: Keine Gefahr. Die sind nicht Kampagnen-fähig. Da gibt es keinen Druck, wie bei den robusten Trillerpfeifen-Gewerkschaften.
Dieses Manko hat die touristische Branche durchaus schon selbst erkannt. Das Problem, als – jetzt mal verkürzt gesagt – Urlaubsmacher so ernst genommen zu werden, wie es dem Industriezweig, der viel mehr Wertschöpfung verursacht, als zum Beispiel die heiligen Automobil-Bauer, doch eigentlich zusteht.
Der Deutsche Reiseverband kann da mehr als ein Lied davon singen. Er muss nicht nur die Nöte der Reisebüros ernst nehmen (schließlich war er mal als Deutscher Reisebüro-Verband gestartet), sondern auch die der Veranstalter, der Hotels, der Mobilitäts-Partner, der touristischen Infrastruktur und seit jüngstem auch die der neuen digitalen Player am Markt. Was dem einen Mitglied Sorgen bereitet, ist dem anderen durchaus eine Startrampe für ein besseres Geschäft.
Deutlich wurde das in diesem Jahr beim Monstrum „EU-Pauschalreise-Richtline“. Etliche Reisebüros, die sich auf einmal in der Haftung sahen, wenn sie versuchen würden, dem Kunden aus vielen Angeboten ein perfektes zusammen zu basteln, contra Veranstalter, denen die neue Regelung ganz zu Pass kam. Nach dem Motto: liebes Reisebüro, buche doch alle Kunden-Wünsche direkt bei mir in meinem Bauchladen. Dann bist du auf der sicheren Seite, und Haftung ist eh mein Geschäft..
Oder die Gewerbesteuerliche Zurechnung von Hotelzimmern. Eine Gaga-Aktion raffgieriger Steuerbehörden, am erklärten Willen der aber dann doch lieber wegtauchenden Politiker vorbei. Das wiederum belastet die Veranstalter mit Millionenbeträgen, wenn es denn rechtswirksam würde. Die digitalen Vermittlungsplattformen von Hotels, die HRS und Trivagos und auch OTAs sitzen dagegen im Rang und reiben sich die Händchen. Schließlich sind sie davon nicht betroffen und können deshalb am Ende die Hotelleistung günstiger auf den Markt werfen…
Die sehr deutsche Belastung der Fluglinien mit allen möglichen Abgaben zum steuerlichen Geldeintreiben. Das empfinden internationale Konkurrenten durchaus als Wettbewerbs-Vorteil. Vor alle, wenn jetzt noch eine Insolvenz-Absicherung obendrauf käme, die wiederum die Reisebüros gut fänden, um ihre Kunden nach der Airberlin-Pleite mit tausenden ungültiger, aber bezahlter Tickets zu beruhigen… Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.
In der Reisebranche ist es manchmal, wie beim Wasserball. Oben wird unschuldig gelächelt und das Wasser aufgeschäumt der Harmonie wegen, unter der Wasseroberfläche aber ist die Versuchung durchaus da, ganz unfein in die Weichteile des Gegners zu treten.
Das ist also die Ausgangslage, wenn der große Branchenverband zur Jahrestagung lädt. Dieses Mal ins Wüsten-Emirat Ras Al Khaimah. Nach dem ersten Kongress-Tag kann man sagen, es wird zwar noch nicht getanzt, aber die Branchenvertreter erkennen, dass die neue Herausforderung, die auf sie zukommt – die totale Digitalisierung per Internet – das Geschäftsmodell vieler so radikal umstellen wird, dass es besser ist, jetzt gemeinsam im übertragenen Sinn ein schützendes Zelt zu bauen gegen den drohenden Sandsturm. Und gleichzeitig zu lernen, welche Voraussetzungen man braucht, um außerhalb wieder bestehen zu können, so wie die Kamele draußen vor dem Kongress-Zentrum.
Nach der flammenden Auftakt-Rede von DRV Präsident Norbert Fiebig hatte ich die Gelegenheit, mich mit ihm zum Reiseradio-Gespräch zu treffen. Es wurde zur Quintessenz der Tagung.
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