Senioren unterwegs mit dem Bus – da gibt es sofort eine Assoziation: Kaffeefahrt. Irgendwo in der Pampa wird gestoppt bei einem Landgasthof, der in der Regel schon viel bessere Zeiten gesehen hat, und im nach kaltem Bier müffelnden Veranstaltungssaal warten die aggressiven Heizdecken-, oder Rheuma-Armband-Verkäufer auf die vermeintlich leichte Beute.
Dabei geht es doch auch ganz anders. Trendtours zeigt es. Mit (vor Corona) über 400.000 Gästen und über 300 Millionen Euro Umsatz gehört der Veranstalter tatsächlich zu den Top 10 in Deutschland. Bei den Rundreisen ist er sogar die Nummer 1. Und wenn Sie von ihm noch nichts gehört haben, dann wahrscheinlich, weil Sie noch nicht in der richtigen Zielgruppe sind: Trendtours-Gäste fangen in der Regel so mit Mitte/Ende 50 an. Das Gros ist in den 60er und 70er Jahren. Noch gut mobil und wach und neugierig auf die Welt. Noch nicht einmal unbedingt wohlhabend, denn Trendtours hat sich in der Branche den Ruf erarbeitet, einen Preisknaller nach dem nächsten rauszuhauen – mit einer Kalkulation, die die Mitwettbewerber verzweifeln lässt. Und dabei sind Verkaufsveranstaltungen allen Mitarbeitern strengstens untersagt.
Wer mit Trendtours unterwegs ist, liebt in der Regel das Zuckeln durch die Gegend per Bus. Denn das ist die Herzkammer des Unternehmens – selbst bei Zielen, die der Topografie oder der Entfernung geschuldet erst mal per Flug angesteuert werden. Der reine Hotelurlaub ist im Trendtours Programm die absolute Nische. Gibt es zwar, unter dem Label Sonnenhits, aber nur an ganz ausgewählten Zielen mit Senioren-gerechten Hotelanlagen.
Nein, wer mit dem Veranstalter aus Eschborn unterwegs ist, möchte viel erleben, heisst, einfach sehen. Kern jeder Rundreise ist das umfangreiche Tagesprogramm mit inkludierten Ausflügen und Rundgängen. Natürlich thematisch nicht so in die Tiefe gehend, wie bei einem klassischen Studienreise-Veranstalter. Die Klientel von Trendtours ist nicht zum Lernen unterwegs, sondern, um sich locker-flockig unterhalten und inspirieren zu lassen. Hauptsache, der Gruppenbetreuer spricht gut deutsch.
Volles Programm bei Senioren? Das hört sich erst einmal ziemlich stressig an. Aber diese Klientel macht eben auch keinen Urlaub. Urlaub wäre ja das Gegenteil von Arbeiten. Im Rentenalter ist schließlich jeder Tag daheim so etwas wie Urlaub. Wenn man unterwegs ist, ist das gefühlt nur eine Standort-Verlagerung. Eine, wie wir gleich sehen, die fast nicht teurer ist, als sich daheim etwas zu gönnen.
In der Trendtours-Nische ist Platz für über 150 ausgearbeitete Gruppenreisen. Etwa die Hälfte der Gäste wählt den Bus pur, die andere mit Flug-Transfer. Und wenn man weiss, dass über 1000 Gästebetreuer für den Veranstalter unterwegs sind und über 5000 Busse abrufbar, keiner älter als sechs Jahre, dann ahnt man, dass hier nicht das kleine Rad gedreht wird, sondern eine mittelprächtige weltweite Logistik brummt.
Beispiel Skandinavien, Nordkap und Lofoten. 12 Tage mit dem Bus von und nach daheim. Mit vielen Besichtigungen und sogar einer Schiffspassage auf den Spuren der Hurtigruten. Kostenpunkt inklusive Frühstück: ab 899 Euro. Das muss man zweimal lesen, wenn man das Preisgefüge in Skandinavien kennt. Kein Wunder, dass in der Jahreszeit der Mitternachts-Sonne zwei bis vier Trendtours Busse unterwegs sind – jeden Tag neu! Mit so einer Masse von Pax hat man dann Verhandlungsmacht vor Ort.
Oder mit Fluganreise 7 Tage Irland für Entdecker. Alle Ausflüge inklusive für Eckpreise ab 699 Euro. 118 solcher Irland Reisen werden jedes Jahr aufgelegt. Marktführer in Irland.
Oder Bahrein mit Flug und Vier Sterne Hotel und Ausflugsprogramm acht Tage mit Gulf Air für 499 Euro. Wenn man 1100 Euro drauf legt, fliegt man sogar Business. Das ist wahrscheinlich immer noch günstiger, als wenn ich diesen Nur-Flug direkt bei der Airline buchen würde…
Natürlich geht es auch exklusiver. Nach Kanada oder Japan oder andere Fern-Destinationen. Da liegen die Preise schon im 3000 Euro Bereich. Aber nach Branchenvergleich trotzdem in der Regel einige hundert Euro günstiger, als bei inhaltlich gleichen Angeboten auf dem Markt.
Dafür steht nicht zuletzt Markus Daldrup, der Geschäftsführer, der Branche wohlbekannt durch seine harten Verhandlungen noch zu Alltours Zeiten.
Der günstige Preis kann nicht zuletzt dadurch immer wieder gehalten werden, dass Trendtours seinen Vertrieb ganz old fashioned angelegt hat: die Direktansprache der Klientel. Jeder, der einmal mit Trendtours unterwegs war, bekommt nahezu wöchentlich einen auf die Reisevorliebe angepassten Newsletter. Einen echten Newsletter, nicht so eine Mail, die Gefahr läuft, im Spam-Ordner zu landen. Nein, mit Umschlag und Briefmarke. Das ist heute, wo der Postbote doch nur noch selten klingelt, fast schon ein kleiner Event beim Empfänger. Kein Wunder, dass Daldrup von einem 70 Prozent Stammpublikum schwärmt.
Und weil ältere Reisende doch nach wie vor gerne ins Reisebüro gehen, ist auch dieser Vertriebsweg seit einem Jahr geöffnet. Etwa 2000 Reisebüros verkaufen jetzt die maßgeschneiderten Seniorenreisen. Exakt zum Preis, wie im Newsletter oder auf der Internetseite. Win. Win. Und wenn der Reisende im Reisebüro gebucht hat, steht diese Adresse auch groß gedruckt später auf dem Newsletter-Prospekt. So sieht Partnerschaft aus.
Eigentlich bleibt jetzt nur noch ein Problem ungelöst: Wie macht man es bei einem Bus mit 40+ Reisenden über 60, von denen 35 ein hausärztliches Attest haben, dass sie unbedingt in der ersten Reihe sitzen müssen wegen des Kreislaufs etc…? Wie bei den Fluglinien: besonders schöne Premiumsitze kosten Extra-Gebühren. Und trotzdem sind es die ersten, die immer verkauft sind. Was wiederum beweist, wie unsinnig die alte Marketingannahme ist, bei einer Senioren-Zielgruppe liesse sich kein Geld verdienen.