Es ist fast November, und doch ist es schon morgens, nach dem Frühstück, mehr als kuschelig warm auf der Terrasse des Atlantica Imperial Resorts auf Rhodos, als ich mich mit TUI COO Stefan Baumert zum Hintergrundgespräch treffe. Später Herbst, und so ein Wetter, da lacht natürlich das Herz des Touristikers; das Wort Saisonverlängerung flirrt in der Vormittagssonne. Eigentlich würde Rhodos – zusammen mit Kreta und Kos das griechische Dreigestirn für die TUI – mit 270 Sonnentagen im Jahr dafür auch prädestiniert sein. Schließlich fliegt allein schon die Konzerneigene TUI Fly die Insel 35 mal pro Woche aus Deutschland an. Man hat derzeit an die 50 Hotels hier am Start.
Aber der Teufel steckt wieder mal im Detail. Es reicht ja nicht, die verbundenen Hotels länger offen zu halten und TUI Fly zu verdonnern, den Flugplan auszudehnen. Der deutsche Markt ist eben nur einer von vielen. TUI agiert immer mehr als multinationaler Konzern. Auch im Atlantica ist die sprachliche Vielfalt der Gäste unüberhörbar. Eine Saisonverlängerung macht also nur Sinn, wenn dieser Wunsch auch bei anderen TUI Nationalitäten nachgefragt wird. Und, noch wichtiger, wenn die Insel mitspielt. Was nützen die schönsten Hotels, aber in Rhodos oder Lindos bummelt man durch eine Geisterstadt, wo fast alle Geschäfte geschlossen und Restaurants verwaist sind…?
Alles hängt eben mit allem zusammen.
Womit auch wieder der unsichtbare aber omnipräsente Mr Thomas Cook am Tisch Platz genommen hat. Natürlich werden auch bei der TUI die Karten neu gemischt. Da mag es vielleicht bei der Kernmarke Neckermann nicht so viele Überschneidungen zum sich premium fühlenden TUI-Portfolio gegeben haben, aber trotzdem waren die vergangenen Wochen vollgepackt mit Verhandlungen mit den heimatlos gewordenen Hoteliers, die selbst ein neues, hübsches Dach brauchten, um irgendwo unterschlüpfen zu können. Vielleicht wird ihre Buchbarkeit nicht so groß sein, wie bei den Mitwettbewerbern FTI oder Alltours, wo es naturgemäß größere Schnittmengen gibt, aber man kann davon ausgehen, dass es in den kommenden Monaten sehr viele neue TUI Hotelschilder geben wird, die angeschraubt werden im Prozess eines Rebrandings.
Durch den Wegfall von Thomas Cook mit seinen deutschen Töchtern wird auch TUI Deutschland wachsen. Selbst vorsichtig geschätzt um eine halbe Million neuer Kunden. Aber es könnten auch mehr werden. Das brutale Gesetz der Savanne.
Was beim Treffen auf Rhodos sehr deutlich wurde: auch bei der TUI geht der Trend weiter ins Netz. Man konzipiert es klugerweise als Omnichannel, damit der Stationäre Vertrieb keine Schnappatmung bekommt. Aber der Weg ist nicht aufzuhalten. Anscheinend vom Kunden auch so gewollt. Eine kleine, am Rande beiläufig erwähnte Zahl: 80 Prozent der TUI Kunden haben explizit zugestimmt, dass der Veranstalter auch direkt mit ihnen Kontakt aufnehmen darf. Vor diesem Hintergrund wirkt der fast schon verbissene Kampf der Stationären Vertriebs um die Daten-Hoheit zu ihren Kunden etwas bemüht. Der Reisende, unbeschadet selbst von seiner Treue zu seinem liebgewonnenen Reisebüro, wünscht auch den unmittelbaren Kontakt zu seinem Veranstalter.
Ob das soweit geht, dass künftig vermehrt direkt über tui.com gebucht wird, das sei noch mal dahingestellt. Aber die Webseite ist derzeit das Herzensprojekt der Geschäftsleitung. Man will, Bescheidenheit war ja noch nie die Zier in Hannover, natürlich Marktführer für die Branche werden. Nicht nur im Vergleich zu den anderen Veranstalter-Websites – das wäre nun wirklich keine Kunst – sondern auch in Konkurrenz zu den mächtigen internationalen OTAs und Portalen.
Als integrierter Konzern hat man schließlich alle Komponenten, die man munter mix & match dem Online-Kunden anbieten kann. So nahtlos, dass er gar nicht mehr merkt, ob das noch eine klassische Pauschalreise ist, oder ein maßgeschneidertes Baustein-Produkt aus einer Hand.
Das ist auch das Kernthema meines Gesprächs mit TUI COO Stefan Baumert.
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