Für Ulrich Heuer, den Chef des Krisenmanagements bei der TUI, sind die spektakulärsten Arbeitstage natürlich die im „Situation-Room“ der Firmenzentrale an der Karl-Wiechert-Allee 23 in Hannover, versteckt hinter der Poststelle, ganz hinten im unschmucken Backstage-Bereich des Erdgeschosses. Da laufen dann alle Informationen zusammen, die für die Gäste des Veranstalters in der Regel Unbill bedeuten. Angefangen von Pilotenstreiks, über Pleiten, politische Unruhen, bis hin zu schweren Natur-Kapriolen. Alles Dinge, die einem die schönsten Wochen des Jahres gründlich vermiesen können.
Damit es nicht ganz so Dicke kommt, vor allem für die eigenen Kunden, wurde über die Jahre ein Procedere entwickelt, wie in welcher Situation die Unterstützung organisiert wird.
Neben den Problemen mit Air Berlin waren es vor allem die Wetterkatastrophen in der Karibik, die diesen Sommer die meiste Arbeit machten. Was tun, wenn die meteorologischen Voraussagen zu Irma so schwanken zwischen Katastrophe für ein Urlaubsgebiet bis hin zur Entwarnung, dass der Hurrikane doch noch haarscharf am Zielort vorbeischrammen wird?
Irma hat es wieder deutlich gemacht, wie wichtig es für die Veranstalter ist, den kurzen Draht zu ihren Gästen zu haben. Sprich, nur durch die schnell greifbare Telefonnummer eines jeden Kunden vor Ort lassen sich wichtige Informationen zur eventuellen Evakuierung, zu Notfall-Transfers oder auch nur zu organisatorischen Details unmittelbar zustellen. Vorzugsweise per sms, weil die Nachrichtenübermittlung per Text einerseits enorme Batteriekapazitäten schont und auch immer noch dann funktioniert, wenn die Telefonnetze schon längst ihre Kapazität erschöpft haben.
Der große Vorteil einer Veranstalter-Reise, dass man sich um mich als Kunden kümmern muss, wenn es mal nicht smooth läuft, sollte eigentlich jedem einleuchten. Und doch klingt die reale Zahl erstaunlich: gerade mal 8 Prozent der TUI Kunden erlauben dem Veranstalter Zugriff auf ihre Nummer in Notfall-Situationen. Zum Vergleich: in Skandinavien hat die TUI 98 Prozent der Gäste-Handynummern.
Nun mag der Deutsche generell etwas paranoid veranlagt zu sein, was seine vermeintliche Privatsphäre angeht. Kein Land der Welt hat so idiotisch viele öffentlich einsehbare Hausfassaden sperren lassen, wie die Deutschen (gleichzeitig aber übersehen, dass die wirklich interessanten Details der Hinterhöfe und der dem Blick der Strasse entzogenen Gärten natürlich selbstverständlich weiter über Google Earth einsehbar sind…)
In diesem Fall ist es aber vor allem die Impertinenz vieler Reisebüro-Expedienten, die sich weigern, die vertraglich zugesicherten Kundendaten an den Veranstalter weiterzugeben. Zu groß die Panik, die TUI könnte die Telefonnummer missbrauchen und den Kunden direkt ansprechen mit irgendeiner Werbebotschaft. Dass dies im Agenturvertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist, kümmert viele am Counter überhaupt nicht. Die Kunden werden teilweise sogar aktiv gewarnt, dem Veranstalter den Zugriff auf die Rufnummer zu erlauben.
Wie das mit dem hehren Ziel vereinbar ist, sich um die Urlauber zu kümmern, vor allem in schlechten Zeiten, das können wahrscheinlich noch nicht einmal eingefleischte Reisebüro-Funktionäre unfallfrei begründen.
Über Irma und ihre Folgen habe ich mich mit Ulrich Heuer in der Krisenzentrale unterhalten. Ging auch gut, weil an dem Tag die Urlaubswelt fast nur mit grünen Punkten auf der Landkarte blinkte.
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