Norbert Fiebig, DRV-Präsident

DRV: Kassandra + Kümmerer
Norbert Fiebig zu den Herausforderungen

Ein aufregendes Tourismusjahr neigt sich dem Ende zu. Das Grounding der Boeing 737 max, einige Insolvenzen, gepaart mit dem Hammer Thomas Cook mit viel unbezahlter Reparaturarbeit für alle…Die Achterbahn der Gefühle, ob das Versagen der Insolvenzversicherung das Vertrauen in die angeblich so traumhaft sichere Pauschalreise nachhaltig erschüttern dürfte, die Hängepartie gegenüber der Politik bezüglich einer absurden Steuer auf reservierte Hotelzimmer – von wegen, mit Urlaub-machen viel Geld verdienen sei ein Selbstläufer der Schön-Wetter-Branche. 

Trotzdem wird das Touristik-Jahr wirtschaftlich überraschend mit einem leichten Plus abschließen, nach der achtprozentigen Steigerung 2018. Zweiter Effekt: der Stationäre Vertrieb profitiert gerade in der Nach-Thomas-Cook-Zeit stärker von der Reisenachfrage, als die reinen Online-Reisebüros. Man kann nur vermuten, dass es eine kleine Dankbarkeit dafür ist, dass die Expedienten sich in der Pleite intensiv gekümmert haben um ihre Kunden.

Mittlerweile weiss man, dass die Insolvenz in Oberursel Schäden von mindestens 300 Millionen Euro verursacht hat. Und das ist nur die Schätzung der Zurich Versicherung bezüglich der Ansprüche der am Reisen-Gehinderten. Denn nur sie werden entschädigt. Jetzt sogar komplett, nachdem der Bundesregierung dämmerte, dass sie Mist gebaut hatte mit der juristischen Umsetzung des „vollumfänglichen Schutzes“ durch die EU-Pauschalreise-Richtlinie. Also wird der Bund einspringen, um die Deckungslücke beim Schaden auszugleichen. Schön für den Verbraucher. Egal, welche nicht unberechtigten Bedenken Ordnungspolitiker haben  bezüglich dieses Präzedenzfalles. „Man mut och jönne könne“, wie der Rheinländer weise konstatiert.

War also 2019 kein Jubeljahr, dürfte sich das 2020 gehörig ändern. Gerade jetzt, wo die Geschädigten sicher sein können, dass ihnen alles ersetzt wird, darf man davon ausgehen, dass der überwiegende Teil der hunderte von Millionen Euro auch wieder schnell in den Kreislauf der Tourismuswirtschaft fließt. Mit einem Konkurrenten weniger am Markt. Da müsste schon viel schief laufen 2020, wenn nicht bei vielen Reiseanbietern und Verkäufern am Ende des kommenden Jahres gute Ergebnisse verkündet werden könnten.

„Risiko“ für die Branche wäre, wenn die Nachhaltigkeits-, und Klima-Debatte tatsächlich auch zu Taten führen würde- sprich, Verweigerungshaltung -, und nicht nur zustimmendes Kopfnicken provoziert – ohne Auswirkungen auf den eigenen Lebensstil. 

Das Grundrecht des Reisens wird zunehmend auf den moralischen Prüfstand gestellt – nach der Prämisse, die Reise-Welt könne kein großer Vergnügungspark mehr sein für die happy few, die es sich leisten können. Da wird man sich nicht mehr herausreden können mit einem Verzicht auf Plastiktüten oder Plastikstrohhalme an den Hotelbars, auch nicht mit dem längeren Benutzen der Handtücher oder der Bettwäsche… 

Und das berührt schon existenziell das Geschäftsmodell der Reisebranche, wenn nur noch Urlaub auf Balkonien ökologisch korrekt wäre..

Das also ist das Spannungsfeld für den DRV in den nächsten Monaten. Der Kampf um die Sicherheit der Pauschalreise, aber auch ein offenes Ohr zu haben für die Fachleute, die konkretes ökologisches Umdenken anmahnen bei der Neugestaltung der ebensolchen.

Darüber unterhielt ich mich mit DRV Präsident Norbert Fiebig nach seiner Wiederwahl. 

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