In der schönen neuen, digitalen Reisewelt ist Reisebüro-Bashing ein beliebter Zeitvertreib. Ist der stationäre Vertrieb überhaupt noch zeitgemäß? Diese Orte mit den legendären Pappaufstellern im Schaufenster, mit handgemalten Last-Minute-Schnäppchen an der Eingangstür, mit ihren Katalog-Wänden hinter müden Palmen in Hydrokultur-Containern und davor den Expedienten, die scheinbar gar nicht richtig beraten wollen, sondern lieber Fertig-Produkte von der Stange verkaufen; natürlich vornehmlich von Veranstaltern, die Ihnen eine gute Staffel-Provision versprechen…
Junge und Internet-affine Menschen, so wird einfach mal behauptet, hätten diese Relikte aus der Frühzeit der Reise-Organisation gar nicht mehr nötig. Sie würden auch gar nicht mehr auf die Idee kommen, solche Orte aufzusuchen, wo man alternativ durch Suchmaschinen, Vergleichs-Portale und Direkt-Marketing der touristischen Anbieter doch viel kommoder und vielleicht sogar günstiger den Prozess vom eigenen Computer aus starten könne.
Branchenkenner wissen natürlich, dass das Unsinn ist. Ein Reisebüro-Sterben in größerem Ausmaß findet nicht statt. Und Betroffene, die einmal von Risiken und Reise-Chaos betroffen waren, wissen spätestens dann, wie wohltuend in Krisen das Reisebüro an der Seite ist – im Gegensatz zu einem seelenlosen Callcenter.
Trotzdem muss man zugeben, dass bei vielen der stationären Vertriebler noch einiges im Argen liegt. Nicht nur in Bezug auf das sich Öffnen gegenüber dem Wunsch nach online-offline-Verknüpfung in der Kunden-Ansprache und Betreuung. Selbst beim ganz klassischen Reisebüro-Alltag ist es nach wie vor bemerkenswert, wie gering eine erfolgreiche Abschluss-Quote im Vergleich zu andren Branchen ist. Und das trotz des hohen Beratungs-Aufwandes, den viele Expedienten fast schon altruistisch leisten.
Margit Heuser weiß das aus eigener Erfahrung. Sie hat viele Jahre Reisebüros selbst geleitet und die Schwachstellen schmerzlich erlebt. Sie kennt mittlerweile die beste Strategie gegen die Nur-Katalog-Abholer, die überhaupt-keine-Peilung Habenden bei der Beratung, oder die sich ewig-nicht-Entscheiden-Könnenden, die am Ende doch noch hartnäckig nach Rabatt fragen…
Ihr Wissen gibt sie mittlerweile erfolgreich in Seminaren weiter. Für das Reiseradio hat sie in einem Skype-Gespräch gerne mal aus dem Nähkästchen geplaudert, was sie Expedienten so rät, damit der Kunde nicht zur Katastrophe wird. Bis hin zur Strategie, wie man ihn wieder los wird, sollte er sich zur Plaudertasche entwickeln, der das Reisebüro als soziale Wärmestube missversteht… Ein Problem, dass anscheinend größer ist, als man vermuten möchte.