Daniel Kraus, Wikinger-Reisen

Füße qualmen nicht mehr
Wikinger geht Richtung Genuss

Auch in der Nische lässt es sich ganz gut leben. Bestes Beispiel Wikinger Reisen. Dieser Veranstalter ist so das Schreckgespenst für die Fußkranken und Leisetreter in den Radpedalen. Wikinger setzt nämlich den alten Volkswagen-Slogan touristisch um: und läuft, und läuft, und läuft. Wandern als Kernkompetenz.

Damit konnte man jetzt die 100 Millionen Euro Schwelle beim Umsatz knacken und sich um 62.000 Gäste kümmern. Aktiv im Urlaub unterwegs zu sein, scheint sich als Trend zu festigen. Das sieht man an der Vielzahl der angebotenen Touren. Weit über 1200 sind es weltweit. Allein das Reiseleiter-Netz besteht aus 350 aktiven Vorturnern.

Trotzdem hadert man mit demselben Problem, das alle Veranstalter umtreibt. In den Augen der Jungen wird man nicht als sehr sexy wahrgenommen. Mit den Jahren steigt zwar der Umsatz und die Gästeschar – aber auch, weil man gemeinsam altert. Nun könnte man sich hinsetzen als Manager und ganz pragmatisch die Spinnen-Position einnehmen. Einfach still sitzen, die Klientel reift schließlich nach und wartet darauf, eingefangen zu werden. Ähnlich wie bei ARD und ZDF, die munter ihr Geschäft betreiben können, weil ihre Zuschauer natürlich nachwachsen in das Segment 50+ und ganz von alleine Überdruss empfinden für die Privatsender.

Aber da gibt es ein Problem. Die Zeit der kurz vor der Rente stehenden Baby-Boomer ist bald vorbei. Und dann ist der Gäste-Zuwachs nicht mehr automatisch vorprogrammiert. Wikinger muss also Anstrengungen unternehmen, um sich jüngeren Zielgruppen anzudienen. Im Marketing geht man jetzt mit einem Werbefilm in die Kinos. Sehr emotionalisiert. Ein bisschen Marlboro-Feeling für vegetarische, gesundheitsbewußte Hipster. Intern hat man längst realisiert, dass der Hardcore-Trecking-Liebhaber vielleicht gut ist für das professionelle Image des Veranstalters, aber dass der soziodemografische Atlas ganz andere Menschen beinhaltet: vor allem Naturliebhaber, aktive Studienreisende, gelangweilte Badeurlauber und Individualisten.

Wandern von der Stange, bis die Sohle qualmt, ist also nicht mehr drin. Selbst dem Trend für Singles und Alleinreisende möchte man entsprechen.

Schwerpunktmäßig ist man in Europa unterwegs. Vor allem in Spanien, gefolgt von Italien und Deutschland selbst. (Die Türkei wird nicht mehr angeboten. Da spiegelt man das Verhalten der klassischen Studienreisenden. Erdogans Reich ist no-go-Zone für diese Klientel)

Aber auch die Fernstrecke wird immer wichtiger. Hier lautet die Rangfolge Namibia, Südafrika, Costa Rica. Und Asien holt mächtig auf. Eindeutig ist die Hinwendung zu den leichteren Wanderreisen, bei denen vor allem Einsteiger nicht mehr so die Angst haben müssen, körperlich überfordert zu werden.

Denn das ist nach wie vor die Herausforderung für Wikinger: die gute Beratung vor Abschluss eines Reisevertrages. Über die Hälfte der Gäste nutzen die Direktbuchung mit dem Callcenter. Da kann zum Glück schon im Vorfeld sensibel erfragt werden, wie trittsicher und wadenstark der Gast tatsächlich ist. Nicht, dass er ab dem dritten Tag doch besser im Hotel bleiben muss, weil die Füße so schmerzen.

Wie man sich auf Schusters Rappen so erfolgreich ein kleines Aktivurlaubs-Imperium zusammenbasteln kann, darüber unterhalte ich mich jetzt mit Wikinger-CEO Daniel Kraus.

 

 

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