Karl Pojer, Chairman CLIA Deutschland

Alles Schiff und gut?
Kreuzfahrt erfolgreich, aber in der Kritik

Es gibt keine vergleichbare Erfolgsgeschichte im modernen Tourismus. Die Kreuzfahrt ist als Segment der Renner bei deutschen Urlaubern. In zehn Jahren hat sich das Gäste-Volumen  verdreifacht; auf jetzt fast 2,2 Millionen. Das bedeutet, dass die Branche durchschnittlich pro Jahr um 11 Prozent gewachsen ist. Wobei der deutsche Markt doppelt so schnell nach oben stürmt, wie der internationale.

Dafür, dass die Deutschen ihre Liebe zum Urlaub auf dem Wasser entdeckt haben, sind vor allem zwei nationale Unternehmen verantwortlich: Aida und TUI Cruises. Sie – zusammen mit einigen kleineren heimischen Reedereien – decken mit ihrem offenbar maßgeschneiderten Angebot für die Mentalität der Deutschen Dreiviertel des Marktes ab.

Bei den Fahrtgebieten bleibt alles beim Alten: mit weitem Abstand führen Nordeuropa und das Mittelmeer – es sind fast 55% der Kreuzfahrten, die dort an den Küsten entlang dümpeln. Und die Wochen-Reise ist das Maß aller Dinge geworden. Also ganz anders als früher, wo drei Wochen am Stück normal waren, und deshalb Kreuzfahrt-Schiffe vor allem von lebenslustigen Rentnern bevölkert waren. Nun sind Hochsee-Reisen zwar immer noch nicht der Ort für junge Hüpfer – wenn man mal Themenreisen ausklammert, oder die Sommerferien, wo viele Familien mit jüngeren Kindern den Altersdurchschnitt enorm drücken. Aber ab 40 ist man schon gut dabei. Die meisten sind so zwischen 50 und 60.

Gibt es also nur den strahlenden Bühnenauftritt für die Kreuzfahrt, als Blaupause, wie organisierter Tourismus perfekt läuft? Natürlich gibt es auch die Schattenseiten für die, die etwas genauer hinschauen. Die Arbeitsbedingungen an Bord, damit es die Passagiere schön haben, sind weit entfernt von deutschen Standards, weil auch die deutschen Schiffe unter fremder Flagge in See stechen. Das, was aus dem Schornstein nach außen geblasen wird, ist bei den meisten Schiffen höchst problematisch. Man muss zwar nicht dem Nabu mit seinem Alarmismus und dem Kampf-Motto „Dreckschleudern der Weltmeere“ folgen, aber es gibt eindeutig noch zu wenige Reedereien, die kompromisslos auf Emissions-Optimierung setzen. Teilweise liegt es an einer überalterten Flotte dieser Reedereien – denn alte Schiffe können so gut wie gar nicht nachgerüstet werden – teilweise aber auch am Rotstift der Kalkulation, dass für die Wettbewerbsfähigkeit nicht alles gemacht wird im technischen Umweltbereich, was vielleicht auch heute schon machbar wäre. Und sei es nur, konsequent auf Schweröl zu verzichten.

Aber auch die Auswirkungen der Kreuzfahrt auf die beliebten Häfen in den Haupt-Fahrgebieten werden zunehmend kritisch hinterfragt. Wer hat nicht die Bilder gesehen von den Riesenpötten, die sich an den fragilen Häusern von Venedig vorbeidrücken wie Monster, wer kennt nicht die Bilder aus Dubrovnik, wo an manchen Tagen 10.000 Kreuzfahrt-Passagiere sich durch die fünf, sechs Gassen der Altstadt drängeln. Stichwort Overtourism ist gerade bei einem Urlaubs-Phänomen, wo in kürzester Zeit Menschenmassen auf ein Ziel losgelassen werden, wie bei einer Invasion, ein dankbares Diskussions-Thema.

Ich habe dazu Karl Pojer befragt, den Chef von Hapag Lloyd Cruises. Da ist er zwar für die beiden besten Schiffe der Welt zuständig, die Europa und die Europa 2. Aber als Chairman der CLIA-Deutschland, also des Dachverbandes der Kreuzfahrt-Reedereien, muss ihm die gesamte Branche am Herzen liegen. Und da ist bei manchen Problemen kaum noch eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

Um das Gespräch zu hören mit Karl Pojer, bitte auf den Play-Pfeil im Bild klicken.

 

 

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