Zugegeben, es gibt da etliche Branchen, die sich schwer tun, Jahr für Jahr Innovationen zu verkünden. Selbst die Mode, früher bekannt für radikale Dogmen mindestens zweimal im Jahr, wie man sich zu kleiden habe, um nicht unangenehm aufzufallen, hat resigniert und das „jedem Tierchen sein Pläsierchen“ zum jährlich „neuen“ Credo erhoben.
Bei der Touristik ist es ähnlich. Es gibt so viele Blümchen im Garten, dass wirklich jeder seinen persönlich maßgeschneiderten Urlaub finden kann. Und ist das dann der Fall, sind die Touristen auch erstaunlich resistent gegenüber Neuem und Unbekanntem. Allenfalls noch getrieben durch die Umstände, das Alter, die sich wandelnden Familienansprüche oder das Geld. Über letzteres sprechen wir noch.
Trotzdem müssen die Veranstalter zweimal im Jahr ihren Bauchladen für den Volumen-Markt hübsch dekorieren und als Innovation verkaufen. Wobei: selbst die hartnäckigste PR-Abteilung traut sich nicht mehr so recht, für die bereisbare Veranstalter-Welt forsch Innovationen zu verkünden, wenn die Zielgebiete der Top-Landverschickungen auf den Programm-PKs enthüllt werden – oder die neuen Beach-Clubs, Design-Butzen, Kinder-Verwahranstalten oder Rundreise-Häppchen aus dem mittlerweile riesigen Angebot heraus gepuzzelt werden müssen als Inspiration für die nächste Buchung.
Weil sich aber in der Regel außer der Verpackung nicht viel geändert hat zur Vor-Saison, spricht man lieber von Trends. Oder auch gerne Mega-Trends, die uns Fachjournalisten vorab die Augen und Herzen öffnen sollen in der Glaskugel-Vorhersage, warum und wie demnächst die Nation sich auf den Weg macht in den Urlaub.
Heute bei der TUI wurde diese Schlagwort-Wolke für den Sommer 2024 wie folgt definiert: Mehr Familien, weniger Geld für Sonne, Paare lieben Adults Only, Spiritualität als der neue Luxus, Nachhaltigkeit und Omni Channel Buchung – also munteres Wechseln zwischen Reisebüro und Online.
Das alles, so die von der TUI beauftragten Trendforscher, unter der allumspannenden Prämisse „Wohlfühlen, Genuss und Entspannung“. Jo mei. Da kann ich mir als Journalist doch einen klammheimlichen Neid nicht verkneifen auf die Riege der ehrbaren Trendologen, die solche Binsenweisheiten in schicken Powerpoint-Präsentationen für sicher sehr viel Geld der TUI verkauft haben. Angebot: gebt mir den Auftrag. Das schreibe ich Euch für den Sommer 2025 in 30 Minuten zusammen, und brauche als Erhebungs-Grundlage nur die Pressemeldungen der vergangenen 10 Jahre. Leicht verdientes Honorar.
Will heissen, es gibt schon seit langem keine Trends mehr. Zumindest, wenn man damit eine spürbare Verschiebung von Urlaubs-Leitmotiven meint. Oder eine Veränderung der Top-Liste der Zielgebiete. Deren Ranking ist so vorhersehbar, wie das bei der Bundesliga, wenn die Bayern mal gerade keine Luxus-Übersättigung bei ihren Starkickern bekämpfen müssten. Malle, Türkei (nächstes Jahr soll die Millionen-Pax-Zahl geknackt werden), Kanaren (fast jeder zweite TUI Gast fliegt im Winter dorthin), griechische Inseln. Oder in der Ferne Thailand, USA, Malediven, VAE. Gähn.
Wenn man aber doch einen TUI-Trend aus der langen Programm-PK mitnehmen möchte, dann ist der eher preisgetrieben. War es früher klare Singspiel-Inszenierung, dass die TUI für die Girlanden im Reisemarkt zuständig war, und die anderen (vornehmlich Thomas Cook, RIP) für die Grundbedürfnisse, aka günstigen Preis, haben sich diese Parameter nun verändert. Jahrzehntelang stand die TUI für das Image des „Sie haben es sich verdient“ Statements. Etwas, oder manchmal auch deutlich teurer als die Konkurrenz, aber dafür durchströmt von Premium-Goodies. Die endlosen Schnäppchen-Preis Elogen überließ man lieber Neckermann und Co.
Corona und Krieg und Kostensprung nicht nur bei den Energien mischen nun den Verteil-Kampf des Marktes gehörig auf. Das Fell der vor Jahren sich selbst zerlegten Thomas Cook AG wird nun, nachdem man sich wieder auf einigermaßen stabile Urlaubsmärkte ohne schlechte Rahmenbedingungen konzentrieren kann, neu verteilt. Und von dem Segment „gut und günstig“ will auch Hannover zumindest ein Pelzjäckchen ergattern. Ab 111€ pauschal für Kinder, egal, wie lange und wohin, das zielt natürlich in Gästecluster, die man früher des Images wegen eher halbherzig bespielt hat.
Vordergründig macht es Sinn. Denn das Stammpublikum der oberen Mittelschicht verspricht kein großes Wachstum mehr. Im Gegenteil: die ersten Heizkostenabrechnungen in 2024 sind immer noch ein gehöriger Risikofaktor für die Planungssicherheit. Also muss man von unten nachwachsen. Ob damit aber „zusammen wächst, was zusammen gehört“ beim neuen, sozial bunten Gästemix im Flieger, auf dem Transfer und im Zielgebiet wird spätestens am Ende der kommenden Sommersaison der TUI-Service vor Ort beurteilen können.
„Wir wollen alle“ ist ein Wunsch, der für ein Markenprodukt schnell gefährlich werden kann, wenn man sein Profil nicht schleifen will. Zum „Glück“ gibt es aber ja weiter Airtours und TUI Cruises für die Wertschöpfung, sodass der klassische Pauschalurlaub nicht mehr die Herzkammer des TUI-Smileys sein muss.