Fröhliche bunte Urlaubswelt 2024? - Bild © Drensek / MJ

Zwischen Träumen und Kostendruck
Tourismus-Analyse zur deutschen Reiselust 2024

Kommentar: Jürgen Drensek

Wenn etwas so sicher ist, wie das Amen in der Kirche, dann ist es die Reiselust der Deutschen. Erstaunlich für ein Land der mittlerweile Grübler und Zweifler, in dem vor allem herbei-phantasierte Zukunftsängste den gesellschaftlichen und politischen Diskurs immer mehr prägen. Nein, der Haupt-Urlaub im Sommer scheint uns heilig. Vor allem bei den Besser-Verdienenden.

Das abgelaufene Jahr 2023 hat der Touristik-Branche zumindest bei diesem Wert wieder Zuversicht vermittelt. Etwa genau so viel Menschen waren im letzten Jahr in Ferien unterwegs, wie im Jahr vor der Corona Pandemie, nämlich 2019. Es waren 61 Prozent, wie die GFK in einer repräsentativen Befragung für die Deutsche Tourismus-Analyse der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen jetzt bereits zum 40. mal ermitteln konnte.

Die Unsicherheit trotz positiver Signale

Alles wieder happy-peppy also? Rechtzeitig zur ITB gibt es die erhofften Signale, dass die Korken wieder etwas mehr knallen können? Das wäre vielleicht etwas zu optimistisch gedacht. Denn der Teufel solcher Befragungen liegt natürlich wieder mal im Detail. 

Die wichtigste Erkenntnis seit Jahren, die auch von den Markt-Playern mit den validesten Daten – nämlich den Reiseveranstaltern –  zugegeben werden muss, ist der immer weiter auseinander klaffende gesellschaftliche Gap bei den Reisenden. Mittlerweile können sich nur noch weniger als ein Drittel der Menschen Urlaub leisten, die um die 20.000 € verfügbares Jahres-Nettoeinkommen verfügen. Zum Vergleich: bei den relativ gut verdienenden sind 83 Prozent jetzt schon bei der Ferienplanung. 

Die finanzielle Belastung

Und das liegt nur am schnöden Geld. Denn eine Urlaubsreise belastet mittlerweile selbst bei einer günstigen Buchung proportional viel stärker die heimische Kasse. Wenn wir wieder die „goldene-vor-Corona-Reisewelt“ als Vergleich nehmen, dann kostet der Ferientag bei identischen Reisen heute durchschnittlich knapp 30 Prozent mehr! Das ist schon eine Haunummer. Vor allem, weil es sich bei der Touristik um grundsätzlich systemimmanent hochpreisige Ausgaben handelt. Ja, auch bei den Lebensmitteln, oder in der Gastronomie ist alles teurer geworden. Aber das sind Volumina, die man als Konsument relativ leicht steuern kann. Entweder Richtung Discounter, oder auch beim Auswärts Essen gehen oder einem Barbesuch. Da lässt sich der punktuelle Verzicht oder die Beschränkung leichter verkraften. 

2023 haben die Deutschen durchschnittlich 1.538 Euro pro Urlaub und Person ausgeben müssen. Stand gar eine Fernreise auf dem Flugticket, waren es sogar 2.489 Euro. Wie gesagt, pro Person. Da kann man leicht ausrechnen, wie viele Euro eine Familie jeden Monat zur Seite legen musste für das Urlaubsglück, das letztendlich mit durchschnittlich (!) 6000 Euro zu Buche schlug. Reisen ist eine der massivsten Konsumausgaben überhaupt geworden.

Die Herausforderungen für die Touristik

Das ist auch der Grund dafür, dass die Veranstalter intern weit entfernt sind vom Jubel. Klar, ihre Umsätze sind wieder auf dem „alten“ Niveau. Aber dieser Wert wird nahezu nur getragen durch die massiven Preissteigerungen der letzten Jahre, weil gleichzeitig die Zahl der Reisenden im unteren Preissegment schmerzlich spürbar zurück ging und nicht so wohlhabende Kunden oft preiswerter buchten. 

Wenn man sich anschaut, was schnöde hinten rauskommt, trotz all der riesigen personellen Anstrengungen und der enormen Arbeit, zig Millionen Menschen einen guten, irgendwie noch bezahlbaren Urlaub ermöglichen zu können, dann ist der Gewinn der Branche bei in der Regel 2-3 Prozent Rendite ein schlechter Witz. Nicht umsonst zeigt der Aktienmarkt der Touristik noch die kalte Schulter und sind die Börsenwerte im Keller. Die mannigfachen Kosten machen den Urlaub immer mehr zum Luxusprodukt – nicht nur für die Reisenden, sondern auch für die, die ihn gestalten.

Ganz losgelöst von wirtschaftlichen Hemmnissen: Ich unterstütze die Kampagne des Deutschen Reiseverbandes DRV – #reisenverbindet

2024 – ein Jahr der Zuversicht?

Und ohne hier die Kassandra geben zu wollen: die GFK Umfrage wurde gemacht, noch bevor die ersten, teilweise aberwitzigen Nachzahlungs-Bescheide für Energie und Heizung die Konsumenten erreicht hatten. Die positiven Buchungs-Eingänge seit Weihnachten sind überwiegend geschuldet den wirklich attraktiven Preis-Rabatten für Frühbucher. Wie jeder Fachjournalist, der sich mit der Touristik beschäftigt, würde ich mir wünschen, dass wieder mehr die Urlaubsfreude und die Lust an der Weltentdeckung unser Thema werden, und welche Ursachen es hat, dass bei der Gunst der Zielgebiete allem Beharrungsvermögen zum Trotz die Urlauberströme durchaus immer noch spannende Wellenbewegungen zeigen. 

Aber leider werden wir wohl noch länger über die Kluft zwischen Wollen und Können reden müssen; ganz losgelöst von der sonstigen Weltlage. Auf der anderen Seite: selbst, wenn Reisen irgendwie in der deutschen DNA fest verwurzelt ist – es geht schließlich nur um Urlaub.

Alle Zahlen der Tourismus-Analyse 2024