Nun ahnt man zwar schon, dass das grundsätzliche Jammern zu den gepflegten Künsten nicht nur des Bauernstandes, sondern auch der sonst ehrbaren Kaufleute gehört. Aber wenn man in den vergangenen Wochen in die Wasserstands-Meldungen des Stationären Vertriebs hinein horchte, dann konnte man den Eindruck haben, die touristische Industrie steht vor einem harten Sommer. Eine gewisse Reise-Unlust sei zu vermerken; vielleicht geschuldet dem letzten wunderbar warmen Sommer (Wunderbar, so lange man nicht Bauer war oder verantwortlich für das Wässern der Parks und Grünanlagen).
Viele Deutsche, so war zu hören, würden dieses Jahr die Entscheidung sehr spät treffen zwischen Aperitif auf dem Balkon oder Arenal oder Antalya, vielleicht sich aber auch erdgebunden auf den Weg machen eher in den näheren Bereich – und damit an der klassischen Reise-Buchung vorbei.
Dann noch die Brexit-Hysterie bei den Briten, dass schwächelnde Pfund und die aus Skandinavien herein schwappende Klima-Flugscham…
Vermeintlich harte Zeiten also für die Veranstalter, zusätzlich gebeutelt durch Boeing Desaster und die immer stärker werdende Lust der Reise-Interessierten, sich ihren Urlaub im Internet selbst zusammen zu basteln.
Und jetzt die TUI. Wenig zu spüren von trüben Gedanken beim deutschen Leit-Veranstalter. Zur Zeit liege man bei der Buchungslage genau so, wie im letzten Rekord-Sommer. Zwar mit Spanien als Underperformer, aber mit grossen Zuwächsen vor allem in der Türkei, in Ägypten und Marokko. Selbst Zypern sei mit fast zwanzig Prozent im Plus. Nun bringen zwar alle genannten Destinationen zusammen nur einen Teil der üblichen Landverschickung nach Spanien. Aber viel Kleinvieh macht auch Mist.
Mehr noch. Man habe Marktanteile ausbauen können. Selbst im Budget Bereich. Also den billigeren Reisen, die man früher eigentlich gar nicht anfassen wollte, um den Markenkern nicht zu beschädigen.
Der Reise-Riese aus Hannover sieht sich also gestärkt für ein Konflikt-Feld, auf dem man sich in der Touristik schnell eine blaue Nase holen kann: dem Ausbau des digitalen Kanals. TUI.com soll DER Marktplatz für Reise werden. Bereits heute reklamiert man für sich, den vom Umsatz her grössten Veranstalter Online-Auftritt zu haben. Ja mei. Das sagt natürlich noch nicht viel aus. Aber man möchte hier vernehmbar aufrüsten – sowohl im Angebot, wie auch bei der Technik. Das Ganze vorsichtshalber gelabelt mit dem Stichwort Omnichannel, damit die Reisebüro-Inhaber nicht gleich wieder Schnapp-Atmung bekommen. Aber die Priorität der digitalen Auslage wird weiter entwickelt. Mit herzlicher Einladung an den Stationären Vertrieb, den Weg gemeinsam zu gehen – oder eben aus der Wüsten-Perspektive der Karawane zuzuschauen, wie sie weiter zieht.
Man sieht das bei der TUI durchaus langfristig strategisch. Denn wenn man die Millennials nicht verlieren möchte als künftige Reisekunden, dann ist es heute fast schon zu spät, die Weichen neu zu stellen. Nicht nur, wenn man neue Produkte verkaufen möchte, wie ein Surfcamp in Marokko, oder Rundreisen im California-Bulli. Eine schnarch-langweilige Website oder, schlimmer, ein Katalog sind da keine Option mehr.
Über all das unterhalte ich mich nun mit Stefan Baumert, dem touristischen Geschäftsführer der TUI Deutschland.
Für den Podcast bitte auf den PLAY Button im Foto von Stefan Baumert klicken