Die Irrationalität schlägt durch. Die Gefahr, durch einen Terroranschlag ums Leben zu kommen, liegt bei 1.27 Millionen. Da ist die Chance ungleich höher im Haushalt, im Auto oder in der heimischen Freizeit, per Unfall dahinzuscheiden. Es ist eben die Angst vor unbeherrschbaren Gefahren, die bei uns so durchschlägt.
Und das wirkt sich auch auf unsere Reiseentscheidungen aus. Nicht in dem Maße, dass wir komplett auf Urlaubsreisen verzichten. 2015 beispielsweise war so ein „Jahr des Terrors“. Trotzdem hat die Reiselust der Deutschen nicht gelitten. Und doch hatte es Auswirkungen auf die Branche: Sicherheit und gefühlt gute politische Lage sind als Bedingung für die Auswahl eines Reiseziels immer wichtiger geworden. Die Veranstalter versuchen das aufzunehmen als fürsorglicher Kümmerer. Als ob die Pauschalreise so eine Art Vollkasko-Veranstaltung wäre.
Wenn man aber in diesem Zusammenhang vom aufgeklärten Studienreisenden schwärmt, der sich vorher auf das Urlaubsland vorbereitet, der das authentische Erlebnis sucht, den Kontakt zu den Fremden, und der pauschale Vorurteile hasst, dann läuft man trotzdem Gefahr, bei einer Prognose ziemlich in die Falle zu tappen. Bei der Frage nämlich, ob solche Reisenden eigentlich immun sind gegen boulevardeske Panikmache oder Stimmungs-Provokationen. Da möchte man denken, na, die doch nicht.
Nicht nur hinter der FAZ steckt schließlich ein kluger Kopf, sondern viele davon vor allem auf Studienreisen. Die können gut differenzieren, wirkliche Gefahren abschätzen und lassen sich die persönliche Begegnung nicht madig machen. Ganz anders, als die Pauschalis am Sonnenstrand, die ihr politisches Desinteresse in den Urlaub mitnehmen, und nur die Kulisse ihres öden Ferientags auswechseln.
Aber weit gefehlt. Gerade die Nische der Studienreisenden besteht aus vielen scheuen Rehen. Weswegen Spezialisten wie Gebeco oder Studiosus in den letzten Jahren besonders gelitten haben, wenn wieder mal etwas passierte in Ländern, die mehr zu bieten haben als den All-Inclusive-Strandtag.
Dumm, dass ausgerechnet in der Region Mittelmeer die Historie ein wahres Füllhorn ist für spannende Entdeckungen. Nachdem die arabischen Länder geradezu wegbrachen in der Gunst dieser Klientel, auch zeitweise Griechenland, weil es so schrecklich nervte, ist jetzt die Türkei der große Verlierer. Zum Beispiel bei Studiosus. 2015 wollten noch 2454 Reisende die unglaubliche Kultur unter dem Halbmond kennenlernen. 2016 waren es gerade noch 78 Gäste. Und aktuell: Ein Blick in die Buchungslisten des Münchener Spezialisten verrät es: unglaublich, noch 10 Studiosus Gäste lassen sich nicht von Erdogan und seinen Kumpanen abschrecken.
Über dieses Phänomen habe ich mich mit Guido Wiegand, einem der Chefs bei Studiosus, unterhalten. Wie man mit solchen, manchmal auch wenig rationalen Entscheidungen seiner Gäste umgeht. Wie offen man trotzdem in allen Reiseunterlagen über mögliche Risiken informieren soll, unabhängig von den in der Regel sehr schwammigen Empfehlungen des Auswärtigen Amtes. Denn auch bei Studienreisenden besteht die Welt aus vielen Ängsten.
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4.6
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