DRV-Präsident Norbert Fiebig bei der Eröffnung der Jahrestagung 2021 © DRV/Kautz

Klima-Schutz auf Reisen wichtiger?
Die neue DRV-Position irritiert

Kommentar: Jürgen Drensek

Die Klima-freundlichste Reise ist logischerweise die, die gar nicht stattfindet. Punkt. Dabei wäre es ja die, die am leichtesten – heute sagt man gerne Barriere-freiesten, zu bewerkstelligen wäre. Ohne all die Technik-getriebenen ambitionierten Zielsetzungen, die der DRV gerade auf seiner Jahrestagung in Griechenland formuliert. Ohne Flotten-Modernisierung, Treibstoff-Effizienz und Routenoptimierung im Luftverkehr, ohne Strom-basierte synthetische oder ökologisch generierte Kraftstoffe, einen CO2 optimierten Verkehrsmix, Rail & Fly und viel teurere Flugtickets, die den Verbraucher doch zweimal nachdenken lassen, bevor er sich auf die Billig-Sause für ein Wochenende in den Flieger setzt.

 Natürlich ist das alles edel gedacht und sinnvoll. Mehr Kundenberatung, ein transparent kommunizierter CO2 Fußabdruck und Kompensationsmöglichkieten. Wer möchte einen Reise-Branchenverband dafür tadeln, dass er sich endlich als Teil des Problems erkennt?

Etwas sarkastisch möchte man hinzufügen, dass die touristische Industrie jetzt schon fast zweit Jahre lang unfreiwillig in Vorleistung getreten ist. Noch nie hat der weltweite Reiseverkehr in seiner modernen Form so wenig Emissionen freigesetzt, wie durch das Corona-bedingte Zwangs-Grounding. Noch nie hat der Massentourismus der Natur eine so ausgedehnte Erholungspause gegönnt; gerade den sensiblen Ökosystemen, die wegen ihrer Schönheit fast zu Tode geliebt wurden von den organisierten Ausflüglern.

Ist Klima-Schutz jetzt das Thema?

Bei aller zur Schau getragenen, überfälligen Selbsterkenntnis und Selbstkritik der Reisebranche, eben auch aktiver Player zu sein bei der Klimabelastung, die zwangsläufig entsteht, wenn Milliarden Menschen sich – überwiegend aus purer Lust und aus Gründen der freizeitlichen Selbstverwirklichung – jedes Jahr fröhlich um die Welt bewegen, mutet es dennoch etwas irritierend an, ausgerechnet nach einem wirtschaftlichen 70-Prozent-Einbruch über zwei Jahre nun das Thema Klimaschutz in den Vordergrund zu stellen.

Natürlich darf Klima kein Luxus-Investment sein, um das man sich nur dann scheinbar kümmert, wenn ansonsten der Laden der weltweiten Landverschickung brummt. Dieser Pseudo-Ablasshandel zum Beispiel mit  Kompensations-Zertifikaten, der vom Kunden mit Recht kritisch beäugt wurde, weil niemand ihm nachvollziehbar erklären konnte, was denn mit dem Klima-Obolus tatsächlich getan wird für die Umwelt.

Die plötzliche Aktivität des Reiseverbandes befördert trotzdem eine gewisse Ratlosigkeit. Warum gerade jetzt? Ein Agenda-Setting, weil man bei der Jahrestagung nicht nur im Jammertal der Fast-Pleite einer ganzen Industrie verharren, sondern frischen Tatendrang für eine hoffentlich wieder glorreiche Zukunft vermitteln wollte? Das Eröffnungs-Thema kann auch nicht auf einer wieder mal gestarteten Umfrage begründet sein. Denn was hat Forsa schon an Erkenntnis gebracht? Dass 62 Prozent der Befragten angeblich Klimafreundlichkeit bei einer Reise als wichtig oder sogar sehr wichtig empfinden? Welch eine Überraschung… Vielleicht hätte Forsa mal eine Umfrage unter den Expedienten machen sollen, wieviele Kunden im Reisebüro explizit nach klimafreundlichen Alternativen zu ihrem Strandurlaub in einer für den Volumen-Tourismus optimierten Destination nachfragen. Oder Forsa hätte sich in die Schnittstellen von Booking und Co eingeklinkt, welche Urlaubsformen, welche Urlaubsarten und welche Transport-Möglichkeiten denn tatsächlich recherchiert und gebucht werden.

Wozu ist der Reisende bereit?

Die Diskussion um Umweltschutz beim Reisen, schon bald richtigerweise ergänzt durch die Begriffe Nachhaltigkeit und Soziale Verantwortung, ist ja nun wirklich keine neue. Aber alle aufrichtigen Streiter, die hier Verbesserungen anmahnen und vorschlagen, kämpfen seit Jahrzehnten gegen Windmühlen. Will heißen, gegen das Beharrungsvermögen des Großteils der Reisenden. Es ist leicht, bei einer Umfrage FÜR etwas zu sein, GEGEN das man ja auch schlecht sein kann, ohne geächtet zu werden. Wer traut sich schon, einem Interviewer gegenüber die Meinung zu vertreten, der Umweltschutz ginge am Ars… vorbei, solange man im Urlaub preiswert seinen Spaß haben könne – den man sich ja wohl auch verdient nach Monaten der Arbeit…?

Aber wie ist das tatsächliche Handeln? Es gibt mittlerweile schon eine achtbare Anzahl an, nennen wir sie lieber bewussteren, Angeboten für nicht industriell konfektionierten Urlaub, bei dem auch vom ausgegebenen Geld etwas mehr an der Basis der Gastgeber landet. Oder wo man sorgsamer mit der Destination umgeht. Aber realistischerweise muss man auch erkennen, dass sie in Bezug zum Gesamtvolumen des Reisens eher ein Fliegenpipi im Ozean sind.

Jahrelang war es das Credo der touristischen Branche, ihr organisierter Volumentourismus sei vor allem eine soziale Errungenschaft, es fast jedem zu ermöglichen, die Ferien nicht auf Balkonien verbringen zu müssen aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus. Urlaub nicht mehr als Zeichen des sozialen Standes.

Man kann aber nicht beides haben wollen: billigen, erschwinglichen Urlaub für jeden, und CO2-neutrale Mobilität. Damit reicht man nur den Schwarzen Peter weiter an die Ingenieure, die gefälligst liefern sollen, damit man sein eigenes, grenzenloses Geschäft unbekümmert weiter betreiben kann. Mit all den negativen Begleiterscheinungen dann vor Ort. 

Sorry, lieber DRV, aber das ist zu kurz gesprungen. Nachhaltiges Reisen fängt an vielen Stellen an.  Auch mit der Bezahlung der eigenen Akteure und Partner in den Zielgebieten. Ein guter Urlaub mit besseren Rahmenbedingungen für alle muss zwangsläufig ein teurer Urlaub werden. Aber das kommt natürlich nicht in Frage. Denn Bali oder Balkonien ist auch für den DRV keine Alternative.