Als Journalist muss man normalerweise eine gute Portion Skepsis haben, wenn Lobby-Verbände ihr Klagelied singen. Das gehört zum Ritual, dass es immer Umstände gibt, die zu – natürlich dramatischen – Problemen für die jeweils Betroffenen führen.
Die katastrophalen Zahlen der Reise-Industrie im abgelaufenen touristischen Jahr sind da anders. Sie sind nicht interpretier-, und manipulierbar. Es ist eine Tragödie in dürres Ziffernwerk gegossen. Umsatzausfälle von 80 bis 90 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – so etwas gibt es in volkswirtschaftlichen Planspielen eigentlich überhaupt nicht. Das sind vergleichbar Kriegszustände, wenn eine Wirtschaft komplett zusammenbricht.
Mehr als neun von zehn Akteuren haben Angst um ihre Existenz. Vom Big Player bis hin zum kleinen Reisebüro oder dem Reiseleiter. Sie haben berechtigte Sorge, dass es sich nicht „nur“ um ein schreckliches Jahr handelt, das man abschreiben muss, und das man mit Hilfe von Unterstützung und eigenen Rücklagen irgendwie meistern konnte, sondern der Anfang von einer mehrjährigen Durststrecke.
Die touristische Industrie war die erste, die unmittelbar durch die Pandemie betroffen war. Über eine Viertelmillion Urlauber und Reisende mussten im Frühjahr auf Kosten der Branche wieder nach Deutschland zurückgeholt werden. Auch, wenn der Außenminister ziemlich dreist die politischen Lorbeeren dafür einheimsen wollte. In den Monaten danach lagen die Neubuchungen am Boden. Gleichzeitig mussten die Kundengelder für nicht antretbare Reisen zurückgezahlt werden. Die Gutschein-Lösung hatte im Gegenzug zu anderen europäischen Ländern keine juristische Chance. Der bürokratische Stornierungsaufwand lag überwiegend beim Stationären Vertrieb. Ohne Vergütung für die Arbeit; dafür unter der Bedrohung, bereits erwirtschaftete Provisionen on top auch wieder zurückzahlen zu müssen.
Nach einem vorsichtigen Zwischenhoch im Sommer in einem internationalen Covid-19-Reisewarnungs-Irrgarten wurde politisch aber schnell weiter zurückgerudert. Keine alimentierten Tests mehr für Rückkehrer, der pauschale Vorwurf, wieder ankommende Pauschalreisende seien Risikogruppen als Spreader, Kleinstaaterei mit rüden Übernachtungs-, und Ausflugsverboten – und letztendlich ein eindringlicher Appell der Bundeskanzlerin, lieber überhaupt nicht mehr zu reisen und daheim zu bleiben- all das führte im Herbst quasi zu einem staatlich verordneten Shutdown für die touristische Industrie.
Und selbst, wenn die in Sichtweite stehenden Impfungen ein kleiner Silberstreif am Horizont sind – es wird nicht reichen, dass 2021 eine spürbare Erholung eintritt. Die Reisebranche wird aller Voraussicht nach auch die letzte sein, die – irgendwann mal – wieder normal wirtschaftlich funktioniert.
Die Reste, die dann überhaupt noch dazu in der Lage sind. In einem Umfeld, das auf keinen Fall wieder anknüpft an die unbekümmerte Situation Ende Januar 2020.
Das ist die Gemütslage, in der der Deutsche Reiseverband zu seiner virtuellen Verbandstagung elektronisch nach Berlin eingeladen hat. Noch vor dem Eröffnungs-Gespräch zwischen Präsident und Geschäftsführer hatte ich Gelegenheit, Norbert Fiebig im ebenfalls virtuellen „Touristik Talk Studio von Was mit Reisen TV“ einzuladen. Die Themen der Tagung quasi zusammengefasst in unserem ausführlichen Gespräch.
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Neben dem Podcast gibt es dieses Gespräch auch als TV-Touristik Talk – unter diesem Link