© Nicko Cruises

Kanaren – Slow Cruising
Entschleunigt unterwegs mit der Vasco da Gama

Die Kreuzfahrt boomt wieder – nach Corona. Scheinbar unberührt von Diskussionen über die Umwelt-Verträglichkeit von großen Vergnügungs-Schiffen, unbeeindruckt vom Vorwurf, das massenhafte Anlanden von Passagieren brächte Hafenstädte an vielen Tagen an den Rand des Kollaps’, losgelöst vom akademischer Verachtung, Kreuzfahrer würden ja generell nur oberflächlich durch die Welt reisen, und überhaupt keinen Kontakt außerhalb ihrer Kunstwelt suchen.

Wir wissen, das sind unsinnige Vorwürfe, wenn man sie nur pauschal so formuliert. Aber in jedem Vorwurf steckt natürlich ein Körnchen tatsächliches Problem.

Es gibt natürlich einen Unterschied, auf welcher Art Schiff ich unterwegs bin. Ein Gast, der sich für ein Expeditions-Schiff entscheidet, ist neugierig auf die ihm fremde Welt, die er so, einigermaßen kommod, besuchen kann. 

Wer die Icon of the Seas aussucht mit ihren 10.000 Menschen, die sie durch die Wellen schippert, dem ist es wahrscheinlich völlig egal, wo diese Wellen branden. Das Schiff selbst ist das Ziel, der große Vergnügungspark auf dem Wasser.

Und dazwischen gibt es so viele hübsche, auch internationale Schiffs-Mütter mit ihren Töchtern, dass jeder Urlaubswunsch sich realisieren lässt. In Deutschland bestimmen vor allem zwei Namen den Kreuzfahrt-Markt: AIDA, die Erfinder der modernen, legeren Cruise, und die TUI Mein Schiff Flotte. Und wer Wert auf ein deutsches Umfeld legt, hat dann – abgesehen vom Luxus-Hochpreis-Segment von Hapag Lloyd (mit den beiden besten Schiffen weltweit: Europa und Europa 2) – eigentlich nur noch Phoenix zur Auswahl, oder Nicko Cruises. Phoenix ist grundsolide, etwas sehr klassisch-konservativ, aber hat natürlich einen großen medialen Wiedererkennungswert durch die ARD Dauerserie „Verrückt nach Meer“ oder auch das ZDF Traumschiff. 

Bleibt also Nicko. Mit gerade mal einem Schiff: der Vasco da Gama. Man kann sich vorstellen, das  ist eine Herausforderung, bei so einem Marktumfeld, da nicht unterzugehen. Ein aus heutiger Sicht kleines Schiff mit 219m Länge und theoretisch 1000 Gästen an Bord bei über 500 Besatzungsmitgliedern. Durchschnittlich sind es sogar unter 1000 Gäste, die sich auf eine Reise machen – was angesichts der Crew-Stärke ein fast schon Luxus-Verhältnis bedingt von 2:1

Noch ein kleines Manko: die Vasco da Gama ist mittlerweile über 30 Jahre alt. Ist das noch konkurrenzfähig? Heute, wo die Schiffs-Neubauten sich gegenseitig überbieten mit Design und Schnick-Schnack? Ja, die Vasco da Gama ist konkurrenzfähig. 

Sie hatte – trotz oder wegen der bewegten Vergangenheit – das Glück, in Würde und mit vielen Modernisierungsmaßnahmen zu altern. Die Reederei hinter Nicko (Mystic Cruises aus Portugal) konnte die weitgehend schon State of the art modernisierte Vasco während der Corona-Pandemie für einen Super-Schnäppchen-Preis von ca. 10 Millionen Euro ersteigern. Ein Bruchteil dessen, was der TUI für die „Mein Schiff 7“ von der Meyer Werft in Rechnung gestellt wurde: etwa das 60fache..

Vo diesem Hintergrund und ohne die drückende Schuldenlast hat man viel Raum für ein kreatives Spielbein, wie man sein Schiff positionieren möchte. Nicko, wohl wissend, dass man beim Schaulaufen im direkten Hardware-Bereich oder zur Angebots-Vielfalt an Bord kaum siegen kann, positioniert die Vasco da Gama deshalb als klein, fein, bodenständig, leger und preis-attraktiv. Und bietet das an, was die beiden Dickschiffe der Branche kaum noch möglich machen: ein buntes, immer wechselndes Kaleidoskop an verschiedenen Routen – bis hin zur intensiven, lang dauernden Weltreise.

Vor allem aber fordert Nicko auf, die Langsamkeit des Seins wieder mehr in den Mittelpunkt einer Reise zu stellen. Neudeutsch: slow cruising. Man fährt etwas langsamer, hat mehr Overnights in Häfen, längere Tages-Liegezeiten, vielleicht auch in kleineren Häfen, ausgedehnte Landgang-Angebote. Im Bord-Entertainment gibt es den Mut zur Lücke mit (gegenüber den Mit-Wettbewerbern) deutlich reduziertem Tages-Programm. 

Und jetzt fragen Sie sich natürlich: ist das alles wirklich erstrebenswert und genau das, was die Urlauber im Herzen suchen? Oder hat sich hier nur mal die Marketing-Abteilung ausgetobt nach dem Arbeits-Auftrag „Wir haben nicht so viel zu bieten. Macht aus der Not eine einschmeichelnde Tugend“ 😉

Habe ich mich natürlich auch gefragt – und deshalb eine slow-cruising-Nicko-Reise mitgemacht. Spoiler: ich war total positiv überrascht.

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Informationen zur Vasco da Gama

 

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