Einen Film zu drehen über einen Kurort, selbst, wenn es um ein Bad geht, das es tatsächlich auf die Liste des Unesco Weltkulturerbes geschafft hat, das hört sich erst mal nicht sehr sexy an. Da ploppen sofort die Gedankenbilder auf von Rollatoren und vornehmlich reiferen Menschen, die bedächtig durch den Kurpark flanieren, vor der Musik-Muschel sitzen und lauschen oder die Cafés bevölkern, heimlich bitte mit Sahne, um der Gesundheitskost ein paar genussvolle Momente entgegen zu stellen.
Kur, das war schließlich jahrzehntelang die ärztlich zugeschanzte und von den Kassen oder Rentensystemen alimentierte Landverschickung für jedermann. Ein Gesundheits-Aufenthalt neben dem eigentlichen Urlaub, der gerne mal mitgenommen wurde – sprich: Fango und Tango.
Die Gäste blieben wochenlang, und waren für die Betreiber der Kur-Sanatorien und Gästehäuser eine sichere Bank. Und wer selbst nichts zahlen muss, wird auch schon nicht so renitent auf Qualität pochen. Einem geschenkten Gaul…
Damit war spätestens seit der Jahrtausendwende Schluss, als die verordnete Kur nahezu vollständig abgeschafft wurde aus Kostengründen. Für viele Bäder in Deutschland war das geradezu ein Schock und die Gefahr, dass eine gesamte Infrastruktur und Wertschöpfung vernichtet wurde. Wohl den Orten, die mehr zu bieten hatten, als nur Standard.
Und hier kommt Bad Kissingen wieder ins Spiel. Natürlich war es auch hart, als die liebgewonnenen BfA-Kurgäste wegblieben. Aber Kissingen hatte Substanz. Schließlich war es einmal ein Weltbad. Hier traf sich die Aristokratie, Kaiser und Könige. Hier wurde Weltpolitik verwaltet, immer, wenn sich Otto von Bismarck hier medizinisch aufpäppeln liess. Ganze 14 mal war das. Und das bayerische Königshaus hatte eh immer schon einen Narren gefressen an diesem Ort in Unterfranken am südlichen Rand der Rhön. Seit dem 19 Jahrhundert wurde hier prunkvoll gebaut, um den solehaltigen Heilquellen eine standesgemäße Bühne zu bieten.
Das war also mein Ausgangswissen für den Dreh: Man kann – medizinisch wohl sehr wirksames, wenn auch in der Regel nicht sonderlich gut schmeckendes – Wasser trinken in sehr schönem Ambiente. Reicht das für eine Reportage in einer Reisesendung?
Ich denke schon. Denn das, was ich jetzt in Bad Kissingen tatsächlich vorfand, war ein äußerst vielseitiges Ensemble für das Wohlbefinden. Und eben nicht nur für Menschen, die sich Linderung ihrer Leiden versprechen, sondern auch für alle, die die Ästhetik lieben, gerne essen und trinken, sich in schöner, unverbauter Natur entspannen wollen und ein Faible für Wellness haben.
Also eigentlich extrem viele Zutaten für einen erlebnisreichen Kurzurlaub. Und wenn man, wie ich, Ende Juli dort hinfährt, wird man auch mit einem der größten Rätsel von Bad Kissingen konfrontiert: Wer um Himmelswillen ist dieser Herr Rakoczy, dessen Name einem dauernd begegnet, und dem ein eigenes Fest gewidmet ist, das größte im ganzen Jahresverlauf, und der selbst nie einen Fuß in den Ort gesetzt hat; geschweige denn, ihn überhaupt jemals zur Kenntnis nahm…? Eine spannend-amüsante Spurensuche.
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„Absolut verdient! Verwunderlich, dass Bad Kissingen nicht schon früher auf diese Weise gewürdigt wurde. Allein schon das Kurviertel mit seinen wunderschönen Gärten, Parks und der imposanten Architektur verdient höchste Aufmerksamkeit. Der Charme dieses im 19. Jh. Weltstadt gewordenen Ortes, ist einzigartig. Hier hat das Kleinstädtische etwas Weltgewandtes, trifft Entschleunigung auf Innovation. Gesund ist der Aufenthalt, ob für Kurgast oder Spaziergänger, im malerischen Saaletal. Mehr noch: Bad Kissingen bietet allerlei kulinarische, gekelterte und gebrannte Spezialitäten, die es nur hier gibt.“