
Wenn es auch nur ein Thema von Relevanz gibt für Urlauber, dann ist es die Frage nach dem Wetter. Nicht nach dem notwendigen Wetter für die Region, die man als Ziel ins Auge gefasst hat, sondern nach dem „schönen Wetter“. Also nach der Sonne.
Unerwünschter Nebeneffekt: Solange nur die persönliche Wetter-Bilanz nach der Heimreise positiv bewertet werden kann, verliert jede anschließende Diskussion über den Klima-Wandel schlagartig an Attraktivität.
In dieser Frage ist der Mensch, vor allem der touristische, gnadenlos egoistisch. Nur ein komplett verregneter Urlaub, oder auch anderer meteorologischer Unbill, wie Hitzewellen oder Waldbrände, haben Empörungspotential. Als ob die sorglose Sonnen-Garantie Bestandteil einer Pauschalreise wäre.
Nun verhalten sich „Urlaub und Wetter“ im Verhältnis zu „Klima und Touristik“ leider ungefähr so, wie All Inclusive Strandbutze zu einer abenteuerlichen Expedition ins Ungewisse. Beim Klima geht es um große Zeiträume. Und nach allem, was internationale Klimaforscher heute durch ihre Rechenmodelle wissen, ist das Klima gerade dabei, den Tourismus, so, wie wir ihn kennen, auszulöschen in einigen Jahrzehnten.
Wer sich an die Nachrichten der letzten Jahre erinnert über all die Unwetter weltweit, die massive Auswirkungen auf Urlauber hatten, der ahnt, wie groß die Gefahr ist, dass das Klima bereits angefangen hat, die gesamte Wertschöpfungskette der Touristik zu zerstören.
Das sind keine Kassandra-Einschätzungen, die von politischen und wirtschaftlichen Ignoranten als Fake-News diffamiert werden können. Es sind unangenehme Fakten, die die Top-Manager der Branche am liebsten wegschieben möchten, der kurzfristigen Bilanzgewinne wegen.
Jahrelang hat man geglaubt, es ist das Frosch-im-Kochtopf-Syndrom. Alles geht so langsam, dass die Frosch-Urlauber gar nicht merken, wie heiss das Wasser wird. Aber leider haben die globalen Messwerte eine ganz andere Dynamik.
Die beiden letzten Jahre hatten die höchste Amplitude in den Schreckenszahlen. Die rote Linie des plus 1,5-Grad-Ziels der globalen Erwärmung ist längst gerissen. 2019 dachte man, das wäre erst 2045 der Fall… Nein, bereits 2031 werden wir schon feststellen müssen, dass die Atmosphäre 2 Grad wärmer sein wird, als es ihr gerade noch gut tut.
Was sind schon 2 Grad, denken Sie? Ob der Urlaubstag nun 22 oder 24 Grad warm wird, macht doch nichts. Beides angenehm…
Ach, wie schön wäre es, wenn man so naiv die Gefahr beiseite schieben könnte. Nur 5 bis 7 Prozent des Klima-problematischen CO2 Gases wird in der Atmosphäre gebunden. Der Rest ist im Wasser. Noch. Denn die Ozeane werden wärmer und wärmer. Wie schön für das Stranderlebnis. Wie katastrophal für das, was nachfolgt. Das Wasser verdunstet, bildet Wolken, und muss wieder abregnen. Ein Umstand, an den sich jeder aus den fernen Zeiten des Schulwissens erinnert.
Die Folge: noch nie gab es so viele Überschwemmungen – rund ums Mittelmeer zum Beispiel – wie heute. Klingelt da noch was im Kurzzeit-Gedächtnis? Vier großflächige Überschwemmungen gab es letztes Jahr an Europas Meer-Badewanne. Zum Beispiel Region Valencia: über 700 Liter Regen pro Quadratmeter an einem Tag! Das ist ungefähr die Jahresleistung vom Himmel über Hamburg. Und wer sich an die Katastrophe vom Ahrtal erinnert: da waren es „nur“ etwa 120 Liter pro Quadratmeter an einem Tag. Wem läuft jetzt kein Schauer über den Rücken?
Aber es geht nicht nur ums Wasser. Im Mittelmeer-Raum wird sich gleichzeitig die Luft innerhalb der kommenden Jahrzehnte beim Jahresmittel um 8 bis 10 Grad erwärmen. Immer noch Lust auf Sommerurlaub in den deutschen Top-Zielen der Veranstalter? Derzeit gibt es so roundabout 2-3 Tage im Jahr, wo das Thermometer brodelnd über der 40 Grad Marke steht. Spätestens Ende dieses Jahrhunderts dürften es im Sommer 20 bis 30 Tage sein. Da hilft auch kein Sonnenschutzfaktor 50 mehr.
Bald wird die Wintersaison die einzige Zeit sein, wo man von der Hitze unbeschwert in Spanien, Italien, Griechenland oder der Türkei urlauben kann. Vorausgesetzt, es gibt keine winterlichen Regen-Unwetter, die ja bereits heute jedes Jahr vermeldet werden.
Und wir in Deutschland? Leben wir klimatisch auf der Insel der Seeligen? Des einen Leid wird zum anderen Freud? Werden die erdgebundenen Reisen der neue Hit? Eher nicht. Denn auch bei uns wird die Regenmenge zunehmen – allerdings an weniger Tagen. Mit den berüchtigten Auswirkungen, dass es nicht mehr um die Langeweile im Hotelzimmer geht, sondern um sogar lebensbedrohliche Wetterlagen mit Starkregen, Überschwemmungen und Gewitter.
Was bedeutet der Klimawandel bei unseren Nachbarn im Süden, also für Österreich oder die Schweiz? Seit Jahren ist dort der Wintersport die touristische Cash-Cow. Aber nicht mehr allzu lange. Die Schweiz hat noch den Vorteil, dass ihre Skigebiete fast alle höher liegen; also noch ein bisschen mehr Karenz genießen. Aber in Österreich steigt immer mehr die Panik, dass Schneegarantie für Pistengaudi keine Jahrzehnte mehr gilt. Was dann tun? Die Dörfer sind dafür in keiner Weise vorbereitet. Winterurlaub ohne Schnee scheint undenkbar in der Touristik-PR. Angesichts der extremen Preise, die heute für Skiferien ausgegeben werden, ist das nachvollziehbar.
Doch was könnte man Sinnvolles und Urlaubsfreudiges machen in den Schneeorten ohne Schnee? Wo das Tagesangebot aus drei Ski-Verleihen, einem Sportgeschäft, vielleicht einem Café und einigen Kneipen für das Après-Ski besteht…
Jetzt wäre die Politik gefordert für Master-Pläne als Reaktion auf einen Paradigmen-Wandel. Neue Ideen und örtliche Infrastrukturen müssen erarbeitet werden. Nicht für jedes Dorf, sondern für Regionen. Angebote für Winterurlaub ohne zwingenden Schnee.
Dass da gerade in Österreich nur wenig passiert, liegt an der unseligen Macht der Bergbahn-Betreiber. Die sind die unumschränkten Herrscher im Haus. Bürgermeister und Gemeinderat arbeiten lediglich unter ihren Gnaden. Denn ohne ihr spendables Geld gäbe es kaum dörfliche Angebote.
Aber die Bergbahnen arbeiten derzeit, wie Kernkraft-Besitzer: jedes Jahr gnadenlos ausnutzen, das noch geht. Die Liftanlagen sind die Geldbringer. Also wird mit Kunstschnee-Kanonen geschossen, als gäbe es kein morgen. Nach uns die Sintflut. Zwei Generationen von Urlauber werden wohl noch die Hubbelpisten runterrutschen können, und dann schaun mer mal…
Das ist allerdings keine Option. Was bereits jetzt geschehen müsste, wäre ein Angebots-Wandel. Und da fängt die Sache an, kompliziert zu werden. Es geht nämlich nicht um herkömmliche touristische Angebote seitens der Kommunen (so, wie Wander-, oder Radwege im Sommer), sondern um das Fitmachen der Hotellerie. Es müssen öffentliche Subventionen her, damit die größtenteils privaten Hotelbetreiber die Chance bekommen, sich in der Hardware weiter zu entwickeln. Natürlich ökologisch, um den touristischen Fußabdruck so klein wie möglich zu gestalten.
Denn Hand aufs Herz: wer fährt schon im Winter in die Alpen, wenn Schneesicherheit keine Option mehr ist? Bei Nieselregen spazieren gehen? Mit dem Rad durch Alm-Schlamm schlittern? Langlauf auf Rollen?
Nein, die Lösung liegt darin, Hotels so aufzurüsten, dass nicht mehr die Region, sondern sie das eigentliche Ziel sind. Sie müssen alles indoor bieten, was das Urlauberherz beglückt: von der perfekten Kulinarik, über ausgefallene Wetter-unabhängige Aktivitäten, bis hin zum Megatrend Wellness. Inseln der Glückseligkeit mitten im Unbill des vielleicht gar nicht mehr Urlauberfreundlichen Wetters. Quasi das Grundprinzip der Centerparks mit ihrem Jungle-Dome.
Dieser Ansatz gilt auch für den Süden. Hier sind allerdings mehr Konzepte gefragt, die Sonnenschutz bieten. Destinationen, wie die Vereinigten Arabischen Emirate machen es bereits vor; allen Spötteleien zum Trotz.
Natürlich wäre es am besten, die Welt könnte sich zusammenraufen und langfristiger denken, damit künstliche Erlebniswelten nicht zur Notlösung werden müssten. Aber das dürfte Wunschdenken sein. Leider.
Anmerkung: die zugrunde liegenden Recherche-Fakten für diesen Kommentar stammen aus einer die Branche aufrüttelnden Key Note von ARD Wetterexperte Carsten Schwanke auf der Jahrestagung des Deutschen Reiseverbandes (DRV) in Málaga – und einer Diskussionsveranstaltung des Tourismus-Dialogs in der Österreichischen Botschaft in Berlin.