
Ein typischer Montagmorgen am Flughafen BER: Um Sieben Uhr morgens ist die Welt schon lange nicht mehr in Ordnung. Die Sonne ist kaum aufgegangen, doch der Airport pulsiert bereits vor Leben. Geschäftsreisende mit – so denken sie wahrscheinlich – perfekt sitzenden Anzügen und dem unvermeidlichen Pappbecher der überteuerten schwarzen Plörre in der Hand eilen zielstrebig vom Self-Check-In zur eigentlichen Herausforderung des heutigen Flugverkehrs … Inmitten dieses choreografierten Chaos stehe ich, eingeklemmt zwischen einer Familie mit Kinderwagen und einem Rentner, der verzweifelt seine Boardingkarte sucht. Willkommen im Mikrokosmos der Sicherheitskontrollen, wo Geduld und Humor auf eine harte Probe gestellt werden.
Das Ritual des Auspackens
Hereinspaziert zur ersten Hürde: dem Auspacken des Handgepäcks. Laptops, Tablets und Flüssigkeiten in durchsichtigen Beuteln müssen präsentiert werden, als würden sie an einer Schönheitskonkurrenz teilnehmen. Da fragt man sich doch unweigerlich, ob diese Prozedur nicht längst durch moderne MRT-Scanner ersetzt werden könnte, die in der Lage sind, den Inhalt meines Rucksacks zu durchleuchten, ohne dass ich ihn komplett auszuräumen habe.
Natürlich kann man das, wie bereits viele internationale Airports zeigen. In Deutschland, dem Land der Bürokraten und Bedenkenträger, will man aber erst mal seelenruhig Erfahrungen abwarten, bis man anfängt, flächendeckend nachzudenken. Das Geld beim Bau von Flughäfen (sehr, sehr viel Geld, wie wir leidvoll wissen) vor allen in den Bereichen zu investieren, die zur Passagier-Zufriedenheit beitragen könnten, liegt außerhalb des Denk-Kosmos einer Verwaltung, die sich grundsätzlich elitärer sieht, als das Volk für das sie arbeiten sollte. Doch vielleicht liegt der Reiz gerade in der Nostalgie dieses Rituals, das an längst vergangene Zeiten erinnert, in denen Transparenz noch wörtlich genommen wurde.
Die Kunst der Dehydrierung
Ein weiteres Highlight der Sicherheitskontrolle ist seit kurz nach 9/11 – also bereits seit fast 25 Jahren – das nicht weg zu bekommende Verbot, Flüssigkeiten über 100 ml mitzuführen. Die Vorstellung, dass ein 150-ml-Shampoo eine größere Gefahr darstellt als zehn 100-ml-Fläschchen, regt Fantasie an. Vielflieger wissen das natürlich. Gelegentliche Urlaubsreisende eher nicht. Und wer kennt sie nicht, die großen Abfalltonnen neben den Scannern? Seit Jahren ist die Regelung hoch-umstritten und verursacht tonnenweise Abfall durch konfiszierte Wasserflaschen. Wäre es nicht viel einfacher, jeder Passagier müsste einen großen Schluck aus der mitgeführten Plastik-Pulle nehmen, um nachzuweisen, dass es tatsächlich Wasser ist und kein Nitroglycerin…?
Von den persönlichen Dramen gerade der Urlaubsreisenden mal abgesehen, die immer wieder vor allem bei internationalen Umstiegen in die Falle laufen, dass ein Duty Free Beutel von irgendwo als nicht sicher anerkannt, und der teure Alkohol gnadenlos vernichtet wird. Oder das spezielle Parfüm, das leider, leider in einer 200ml geschliffenen Karaffe verkauft wurde…(Böse Zungen behaupten zwar, das Sicherheitspersonal würde jeden Abend fröhliches Verlosen spielen mit all den guten Dingen… – aber dem wird von offizieller Seite nachdrücklich widersprochen). Alle Tonnen seien versiegelt. Der einzige, der nahe genug an den Inhalt herankommt, sei der Fahrer des Müllautos, wenn der teure flüssige Abfall hinten in der Wagenpresse zerplatzt und den Container in einen olfaktorischen, leicht benebelnden Fiebertraum verwandelt…
Vielleicht sind die Flüssigkeits-Sicherheitsbestimmungen nach der ersten Terror-Panik damals von einem besonders sadistischen Bürokraten verfeinert worden, der auf Dauer nachweisen wollte, dass nur ein durstiger Passagier ein sicherer Passagier sei. So bleibt nichts anderes übrig, als sich entweder der Kunst der Dehydrierung hinzugeben oder überteuerte Getränke im Duty-Free-Shop zu erwerben.
Bodyscanner: Der Totalausfall
Dann – Trommelwirbel – folgt die Bühne des Bodyscanners, jenes hochsensiblen Geräts, das bei jedem noch so kleinen Detail Alarm schlägt. Ob es sich um ein vergessenes Papiertaschentuch oder ein wenig Bauchvolumen handelt – der Scanner nimmt es persönlich. Diese Geräte, die – sagen wir es sehr vorsichtig – vor Jahren mit extremem, politischem Nachdruck eingeführt wurden, sind eher dazu geeignet, den Passagierfluss zu verlangsamen, als für Sicherheit zu sorgen. Das Personal rollt schon mit den Augen, wenn es wieder rot blinkt. Nie war der technische Fortschritt so an den notwendigen Verbesserungen für einen reibungslosen Flugverkehr vorbeigeschrammt, als bei diesen Geräten. (Die fast alle von einer Firma hergestellt werden. Ein Schelm, wer hier Böses denkt…) Darf man nach den Jahren des politisch erzwungenen Beta-Tests an genervten Passagieren und Sicherheitspersonal den Gedanken entwickeln, sie seien trotz aller Warnungen von Fachleuten an der Grenze zur Korruption eingekauft worden, um die Geduld täglich zigtausendfach auf die Probe zu stellen…?
Effizienz à la BER
Selbst am neuesten deutschen Flughafen, dem BER, zeigt sich eine wahre Planungs-Meisterschaft in der Anordnung der Scan-Stationen. Hier wird jeder Passagier der langen Warteschlange einzeln abgefertigt, begleitet von umständlichem Auspacken des Handgepäcks und des Tascheninhalts. Anstatt neueste ergonomische Erkenntnisse der Effizienz-Beschleunigung zu nutzen, die es ermöglichen, dass sich mehrere Passagiere gleichzeitig auf den Scanvorgang vorbereiten können, hält man hier an bewährter Ineffizienz fest. Es ist beruhigend zu wissen, dass Traditionen auch in Zeiten des Wandels Bestand haben.
Der Striptease der Reisenden
Besonders entwürdigend ist der Moment, in dem – frei von irgendeiner Logik oder Konsistenz – aufgefordert wird, Schuhe auszuziehen oder Gürtel abzulegen. Dieser kollektive Striptease mit allen Verrenkungen auf der anderen Seite der Nerv-Insel, um sich dort einigermaßen elegant wieder anzuziehen im Strom der Reisenden, erinnert an eine schlecht organisierte Tanzveranstaltung, bei der niemand so recht weiß, wie der nächste Wiegeschritt aussieht.
Das gerade am frühen Morgen nicht selten Berlin-typisch patzige Sicherheitspersonal trägt schon seit langem seinen Teil dazu bei, dass der Stresspegel am Flughafen steigt und ich das Reisen mit dem Flugzeug immer unattraktiver finde.
Blick über den Tellerrand
Doch es gibt Hoffnung. Einige Flughäfen weltweit haben erkannt, dass Effizienz und Passagierkomfort Hand in Hand gehen können. Durch paralleles Vorbereiten der Passagiere und optimierte Sicherheitsgassen auf dem neuersten Stand der technischen Möglichkeiten, die sich auf die ursprüngliche Kernaufgabe konzentrieren, wirklich sicherheitsrelevante Dinge zu ahnden, wird der Prozess beschleunigt, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen. Vielleicht sollten wir uns ein Beispiel daran nehmen und unsere Sicherheitskontrollen überdenken, um das Flug-Reisen wieder zu dem zu machen, was es einmal war: ein Vergnügen.
Aber wahrscheinlich sollte ich die Sicherheitskontrollen einfach nicht als notwendiges Übel betrachten, sondern als Teil der Reiseerfahrung, die mich lehrt, meditativ Geduld zu üben und mich auf das Folgende zu freuen: Von der Fluggesellschaft unwürdigst auf engstem Raum zusammengepfercht zu werden, wie auf einem Viehtransport, ohne jeglichen Service. Happy Landing.