FTI: Profitabler werden
Mit Esprit und E-Mag

Kommentar: Jürgen Drensek

Man tritt dem sympathischen Münchener Team von FTI – immerhin der nun drittgrößte deutsche oder sogar europäische Reiseveranstalter – sicher nicht zu nahe, wenn man ihm attestiert, vor Corona durchaus der Wadenbeißer der Branche gewesen zu sein. Immer etwas frecher, als die Mitwettbewerber. Grundsätzlich beim Einkauf antizyklisch agierend, leicht widerborstig bei als unsinnig empfundenen Reisebedenken des Auswärtigen Amtes und in der Regel preisaggressiv in der Kalkulation. 

Was die Fachjournalisten immer etwas erfreute – Patriarch Dietmar Gunz und sein CEO Ralph Schiller als kokettierende Bad Boys im Kreis der leicht indigniert schauenden Anzugträger auf Branchen-Events – lief aber als Inszenierung auch nur gut bis zum Beginn der Pandemie. 

Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Verwerfungen in der Touristik war es spätestens dann aus mit dem kalkulierten Rebellentum. 

Erst sah es der anfangs noch mit anderen Beweggründen eingestiegene, aber dann Stück um Stück Ton-angebende Mit-, und dann Haupteigentümer Samih Sawiris gar nicht so locker, dass am Ende der harten Arbeit so wenig Ertrag übrig blieb. Aber letztendlich brauchte man etliche hundert Millionen Euro Staats-Unterstützung, um an Corona nicht pleite zu gehen. Nach der Krise muss man also profitabler werden – keine leichte Vorgabe im traditionell Rendite-schwachen Veranstalter-Geschäft.

Momentan sieht man bei FTI vor allem die guten Buchungseingänge für das Kurzfrist-Geschäft Sommer 2021 und die Hoffnung, dass der Winter 21/22 fast schon wieder an den Winter 2019/20 anknüpfen könnte. Aber die nächste drohende Virus-Welle oder gar ein neuer Lockdown sind noch im Bereich des Möglichen. Und dann sind alle Planungen Makulatur; auch der Wunsch, keine weiteren Staatlichen Kredite zu benötigen. 

Man könnte sagen, alles Tun konzentriert sich auf das Jetzt und das Daumendrücken, dass die Menschen, die letztes Jahr als Ersatzbefriedigung für den ausgefallenen Urlaub lieber die Wohnung renoviert oder den Garten umgepflügt hatten, doch wieder die Reiselust entdecken. Ja, verengt gesehen könnte man die Jubelmeldung formulieren, die Buchungen im Juni liegen auf einem „all time high“…, aber das verschwiege natürlich, dass die relevantesten Buchungsmonate zu Beginn des Jahres quasi im Nuller Bereich dümpelten. Wenn alles gut läuft, wird FTI in diesem Jahr knapp die Hälfte von dem umsetzen, was vor Corona in die Kassen floss.

Der Blick in die aktuellen Buchungen zeigt kein überraschendes Bild. Es spiegelt das Reiseverhalten wieder, das auch die anderen Veranstalter vermelden. Vielleicht mit individuellen Präferenzen. FTI war immer schon stärker in der Türkei aufgestellt; ein Ziel, das wegen der aktuell günstigen Preise vor allem auch die Familien lockt. Für den Winter sieht man sich auch gut gerüstet durch die Marktführerschaft in Ägypten und die traditionell engen Verbindungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Eine Petitesse, die zeigt, dass FTI immer noch überraschen kann: ausgerechnet Israel wird im Winter umfassend als Zielgebiet angeboten. Kultur, Rundreisen, Lifestyle, Wellness am Toten Meer, Baden im Roten Meer. Das komplette Programm. Und das in einem Umfang, der größer ist, als bei den anderen Vollsortimentern. Ausgerechnet präsentiert von einem Veranstalter, der nun einem Ägypter gehört. Wer jetzt noch zweifelt, dass Tourismus Brücken bauen kann…

Hoffnungsvoll stimmt an der Landsberger Strasse, dass die in der Regel sehr preissensiblen Kunden – vor allem auch über den Schnäppchen-Kanal Sonnenklar TV – durchaus nach der Pandemie – genauso, wie bei den Mitwettbewerbern – mehr Geld in den Urlaub investieren durch das Buchen „luxuriöserer Pakete“ oder die Verlängerung des Aufenthaltes. Das freut die Rendite und beweist, dass Urlaub nach wie vor ganz oben steht auf der Wunschliste der deutschen Verbraucher.

 

FTI hat ja schon immer etwas unbekümmerter gespielt auf der Klaviatur des Vertriebs. Reisebüros, ja, aber nur ein Kanal im hybriden Angebot. Sonnenklar TV ist nur ein Beispiel. Das im Januar vorgestellte E-Mag als Ersatz und Alternative zum gedruckten Katalog war der nächste mutige Schritt. Keine für den Stationären Vertrieb einfach zu schluckende Kröte; selbst wenn es eine interne Reisebüro-Version namens Travel-Mag gibt, die gegenüber dem Kunden eine bessere, vor allem inspirierendere, Beratungs-Qualität ermöglicht. Statt der 1,6 Milliarden Katalogseiten nun also ein schick designtes Online-Magazin (Ich habe schon darüber geschrieben). Mittlerweile ist es auch wirklich nutzbar geworden mit 36 Zielgebieten, 17 Urlaubswelten, 50 Rundreisen und 2600 Hotels. Es macht tatsächlich Spaß, darin am Bildschirm zu „blättern“ angesichts der opulenten Grafik und der intuitiven Nutzerführung. Vor allem die „Perfekte-Reisewetter-Suche“ scheint bei den Usern der Hit zu sein als Inspirationsquelle. Und die Möglichkeit, am Ende des „ich-schau-mich-mal um-Prozesses“ das Ergebnis leicht per WhatsApp oder Mail zu teilen (idealerweise für den Vertrieb wäre, an das Reisebüro des Vertrauens…)

Aber ist das E-Mag tatsächlich schon der Game-Changer in der Branche? Die bessere Alternative zu einem eher lustlos agierenden ich-hab-da-mal-einen-Katalog-Reisebüro? Die Zahlen der ersten Monate sind natürlich noch nicht aussagekräftig. Wenn man de-facto wochenlang gar nicht buchen kann, selbst, wenn man wollte, dann wird man auch weniger Freizeit mit der Urlaubsplanung verbringen. 18 Millionen Web-Impressions gab es bisher. Fast die Hälfte über das Smartphone. Und etwa 200.000 sogenannte Unique Visitors wurden gezählt. Das heisst, etwa 1.500 pro Tag. Ist das nun viel angesichts grob 60 Millionen reisewilliger Deutscher? 

Es ist natürlich noch neu, und es war die ersten Monate tatsächlich noch eher work in Progress. Aber für meine Begriffe ist in diesem Ansatz tatsächlich Musik für das klassische Veranstalter-Geschäft. Denn mehr Inspiration bietet keiner der großen Mitwettbewerber. Im Gegenteil. Jetzt muss nur noch die Conversion Rate stimmen. Aber ausgerechnet die über diesen Kanal erfolgten Buchungen kann man derzeit „aus technischen Gründen“ noch nicht zählen… Lassen wir das FTI mal durchgehen. Als mutiger Vorreiter haben sie hier digitalen Welpenschutz. Aber nur bis zur nächsten Programm-PK 😉