Ski-Spaß auf perfekter Piste - angesichts der Energiekrise noch zeitgemäß? © Ski Amadé / Hochkönig

Im Lift mit kaltem Popo
Energie-Verschwender Winterurlaub

Kommentar: Jürgen Drensek

Touristik-Werber ticken eigentlich gar nicht so anders, als Politiker: Und ist die Situation noch so mau, irgendwo wird sich doch eine kleine Umfrage finden lassen, die wieder ein wenig Rückenwind verspricht. Von daher ist es kein Wunder, dass die Österreich-Werbung eine etwas nebulöse Winterpotenzialstudie des „Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa, NIT“ geradezu wie eine Monstranz vor sich her trägt. Demnach planen 17 Millionen, höchstwahrscheinlich einen Winterurlaub in Österreich ins Auge zu fassen. Das wäre dann fast wieder auf Vor-Corona Niveau.

Ja, über 80 Millionen Deutsche planen auch, ein hoffentlich schönes Weihnachtsfest mit vielen Geschenken zu verbringen. Indes, die normative Kraft des Faktischen steht dem in gewisser Weise entgegen. Zwischen Wollen und Können gibt es halt immer noch einen Unterschied.

Logisch ist die Urlaubslaune generell wieder gestiegen seit dem letzten Winter. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich an die Covid-Kontrollen und Restriktionen bis hin zur Schließung erinnert. Nein, Corona-Infektionen sind derzeit nicht das Bedrohungs-Potenzial Nummer Eins. Wobei natürlich noch niemand seriös voraussagen kann, was im Winter Stand der Dinge sein wird. Aber die Gesellschaft hat sich mit der Infektions-Krankheit irgendwie abgefunden – zumindest, so lange die vergleichsweise milde Omikron-Variante das Geschehen bestimmt.

Der Angstmacher, der wie ein Elefant im Raum steht und den man nicht sehen möchte, ist die wirkliche wirtschaftliche Lage der Menschen. Auch dazu gibt es eine Umfrage, dieses Mal von YouGov, und putzigerweise initiiert vom Sportbekleidungshersteller Schöffel, der sich wahrscheinlich noch einmal rückversichern wollte, ob die Strickmaschinen wieder rundlaufen werden für die Nachfrage nach Chic am Berg. Und diese sieht weit weniger optimistisch aus. Fast die Hälfte der Wintersport-Liebhaber will dieses Jahr auf das Pistenglück entweder ganz verzichten, oder wenn überhaupt, dann auf Sparflamme ins Auge fassen. Und das wäre bedenklich. Denn Skipass plus Aprés-Ski sind das wirtschaftliche Rückgrat im Alpenzirkus – und mit einer der größten Ausgabenposten des gemeinen Skifahrers. 

Alleine das größte Skigebiet Österreichs, Ski Amadé, rühmt sich, über 760 Kilometer Piste anbieten zu können auf über 350 präparierten Abfahrten. Und damit die Gäste die Berge runterrutschen können, gibt es fast 270 Lift- und Seilbahnanlagen für bis zu 370.000 Personen pro Stunde. Man könnte auch sagen, für diese Anzahl von Menschen, die sich die teuren Skipässe leisten fürs Abfahrtsglück.

Was passiert nun aber in der wirtschaftlichen Kalkulation, wenn die Wintersportler eher andere Dinge entdecken, die man auch im Schnee treiben könnte? Zum Beispiel mit Schnee-Schuhen die vergleichsweise Stille der Winterlandschaft genießen? Entdecken, dass Langlauf nicht nur aus medizinischer Sicht eine bessere Alternative sein könnte? Vor allem bei Einheimischen könnte auch eine gute Väter-Sitte wieder zum Trend avancieren, nämlich die Pistentour abseits der bewimpelten und bewirtschafteten Abfahrten. Die setzt zwar Kondition und Wissen über Lawinengefahr voraus, aber bietet dafür Vergnügen fast zum Nulltarif.

Sie denken, das habe ich mir als typischer Flachländer ohne Skifahrt-Gen einfach so ausgedacht, und so etwas würde ein echter Ski-Fan niemals machen? Laut Studie wollen fast Zweidrittel der Teilnehmer, nämlich 63 Prozent, genau das planen, sollten sie es sich doch leisten, etwas Winterurlaub zu machen.

  • Schneeschuh-Wandern am Hochkönig - die energetische Alternative?

Langsam geht es der Winterurlaubs-Industrie Österreichs wirklich an die Substanz. Ließen sich zwei unterdurchschnittliche Saisons gerade noch verkraften – schließlich hat man in den vergangenen Wintern vor Geld kaum noch laufen können – wäre jetzt wieder ein Einbruch bei den Gästezahlen und vor allem den Ausgaben vor Ort mangels Geld kaum noch wegzustecken. 

Allein bei Ski Amadé hat man seit Corona trotz allem 184 Millionen Euro investiert seitens der Seilbahnbetreiber, die in den meisten österreichischen Gemeinden mächtiger sind als die Bürgermeister. Diese Finanzspritzen dürften bei einem Katastrophenwinter 2022/23 versiegen.

Und das sind nur die wirtschaftlichen Analysen. Angesichts von Diskussionen über Badelappen statt Dusche und zweitem Pullover statt zu warmer Heizung dürfte so mancher, der sich grämt, dass es auch in der Vorweihnachtszeit weniger Lichterglanz in den Städten geben soll, fragen, ob das Energiemonster Wintersport überhaupt noch gesellschaftlich akzeptabel ist. 

Die Diskussion dürfte spätestens bei einem wegen Klimawandels wieder milden Winter aufkommen. Der wäre zwar gut für die Heizkosten, aber eben eine Herausforderung für die Pistenpräparierung. Energie-intensivste künstliche Beschneiung auf breitester Front für den Spaß am Berg dürfte nicht nur unschöne Bilder erzeugen in den Augen derer, die daheim frösteln, sondern bei den gestiegenen Energiepreisen auch den ohnehin schon teuer organisierten Winterurlaub komplett aus der Kalkulation werfen. Da nützt es nichts, wenn die Tourismus-Werber vorsorglich schon mal Nebelkerzen für ein angenehmeres Wording werfen. Schließlich hätte man eh schon fleissig Energie gespart. 20 Prozent weniger im Zeitraum der letzten zehn Jahre. Und überhaupt würden die Winterurlaube-Orte nur 1,5 Prozent am gesamten Energieverbrauch Österreichs Anteil haben. Demgegenüber aber vier Prozent der Wirtschaftsleitung des Landes wieder in die Kassen spülen.

Nein, die österreichischen Touristiker fürchten gerade an der Schwelle zur Panik die Sinnfrage, ob man nicht ein fürsorglicheres Mitglied der Gesellschaft wäre, würde man sich gegen die Energieverschwendung Winterurlaub in seiner alten Form stellen. Da bietet man doch lieber Beruhigungspillen an: man könnte ja die Geschwindigkeit der Liftanlagen etwas reduzieren zum Energiesparen. Dauert es halt ein bisschen länger, um den Berg hochzukommen. Leider auch mit kaltem Popo. Denn die Sitzheizung in den Liften soll ebenfalls herunter geregelt werden. Wünscht man sich also einen milden Winter. Aber dann müssten die Kunstschnee-Anlagen noch häufiger angeschmissen werden… Es ist nicht leicht gerade, als Verantwortliche in den Skigebieten die heimliche, aber tief sitzende Angst nicht im Jager-Tee ertränken zu wollen.