Eine Reise durch die Provinz Guizhou ist schon China für Fortgeschrittene. Anders als in Shanghai, auf dem Yangtze-Fluss oder in Peking mit Großer Mauer und Tonkrieger-Armee, ist hier der internationale Tourismus noch nicht vorgedrungen. Das heisst, selbst in Hotels wird man sich nur mühsam auf Englisch verständlich machen können, von lesbaren Menükarten in Restaurants oder Wegweisern bzw. Busfahrplänen ganz zu schweigen.
Hier empfiehlt es sich tatsächlich, die Dienste eines Erlebnis- oder Studienreise-Veranstalters zu nutzen. Guizhou und Miao wird auf dem Reisemarkt schon mehrfach angeboten. Die Dreharbeiten unseres Films fanden im Rahmen einer Rundreise von Gebeco statt. Das Programm war sehr abwechslungsreich und erlaubte unterschiedlichste Einblicke in den chinesischen Alltag. Wichtig bei so einer Reise ist vor allem die Qualität der Reisebegleitung. Wir hatten da einen sehr guten Eindruck.
Profan, aber tatsächlich wichtig für den Wohlfühlcharakter einer solchen Rundreise: wie ist die Qualität der Hotels, der Restaurants und vor allem der Toiletten…? Die von uns in der Provinz besuchten Hotels hatten alle internationalen (!) Standard, die Restaurants waren authentisch, ohne den westlichen Geschmack zu überfordern, und auch die Sauberkeit der „Hallen der Harmonie“ – wie Toiletten charmant im Chinesischen umschrieben werden – nahmen selbst pingelige Mitreisende erleichtert zur Kenntnis. Und das will was heißen in einer Region, wo das Plumpsklo das Maß der Dinge ist…
Kein internationaler Tourismus heißt jedoch nicht, dass es keine Reisenden gibt in dieser Region, und man sich wie ein Weltentdecker fühlt. Es gibt an den Sehenswürdigkeiten sogar einen gnadenlosen Massentourismus – allerdings komplett aus dem chinesischen Binnenmarkt und durch die asiatischen Nachbarn. Mit Gruppenkleidung und Megaphon. Das mag manchmal etwas irritierend sein, ist aber die chinesische Art und Weise, mit der neu entfachten Reiselust der Landsleute fertig zu werden. Umso wichtiger ist die Qualität der eigenen Reisegruppe und des Reiseleiters, der trotz der Touristenströme ruhige Plätze findet für Erklärungen.
Guizhou ist eine der ursprünglichsten Provinzen Chinas. Man befindet sich auf etwa 1000 Meter Höhe. Guizhou ist das „Land der Wolken“. Man entdeckt hier noch die zutiefst traditionelle und ursprüngliche Seele chinesischen Lebens, fernab vom Tempo modernen Lärms. Guizhou ist auch eine der malerischsten Gegenden Südchinas, mit leuchtend smaragdgrünen Reisterrassen, aber gleichzeitig eine der rückständigsten Regionen Chinas (ausgelaugter Kalkstein) – so arm, dass es noch nicht mal von den Han-Chinesen erobert wurde. Es gibt eine Redewendung: keine drei Tage ohne Regen, keine drei Hektar ohne Berge und keine drei Münzen in irgendeiner Tasche…
Die Miao sind eine der 55 ethnischen Minderheiten neben den Han-Chinesen – etwa 7 Millionen. Sie lassen sich nicht einfach assimilieren. Es gibt zwar autonome Regionen, Bezirke, Kreise – über die Hälfte des chinesischen Staatsgebietes sogar – aber fast überall sind die Han-Chinesen in der Mehrheit – so bleiben separatistische Bestrebungen unter Kontrolle. ´Die Han Chinesen im Hintergrund ziehen die Fäden. Sitten und Gebräuche werden akzeptiert, so lange sich bunte Folklore touristisch fördern lässt. Minderheiten und romantische Landschaft – das sind vermarktbare Werte. Miao – auch dies ist ein chinesisches Wort; sie selbst nennen sich Hmong.
Das touristische Highlight der Miao liegt vor allem in der Kleidung und der Haartracht der Frauen. Die Stoffe sind übersät mit detaillierten Stickereien; die Festkleidung ist oft so kunstvoll, dass ihre Fertigstellung Jahre erfordert. Augenfällig vor allem die Silberketten und die Silberkrone, die zur Tracht gehören.
Kontakt zu den Miao bekommt man natürlich vor allem in speziell hergerichteten Dörfern. Sie wirken wunderbar alt und pittoresk, sind aber in Wahrheit weitestgehend kunstvolle Kulisse. Kokett herausgeputzt stolzieren die Mädchen durch das Dorf und schwitzen doch ein wenig unter dem Gewicht der Silbergehänge und der verzierten Jacken
Besucher müssen damit rechnen, betrunken zu sein, bevor die den Festplatz erreichen, denn an allen „Straßensperren“ muss Reiswein getrunken werden. Schon von weitem hört man dann die meditativen Klänge der Lusheng – Musikinstrumente aus Bambus. Sie sind das tonale Gerüst der Folklore, zusammen mit Trommeln. Man hat die Illusion, dass sich das ganze Dorf auf dem zentralen Platz versammelt, um die Gäste mit Tänzen zu begrüßen – so, wie es eigentlich auch traditioneller Brauch ist. Natürlich ist aber im Hintergrund alles perfekt durchorganisiert, und die nächsten Gäste sind terminlich genau fixiert. Ein Erlebnis ist es trotzdem.
Eine gute Zeit für eine Rundreise in dieser chinesischen Region ist unser Spätherbst. Oktober, November sind klimatisch noch sehr angenehm und es ist nicht Hochsaison, was den Inlandstourismus noch trubeliger werden lässt. Temperaturen sind frühlingshaft; abends kann es aber kühl werden. Auf Regen muss man in dieser Gegend immer eingestellt sein; und auch auf diesige Atmosphäre. Das tut der Schönheit der Landschaft aber keinen Abbruch – im Gegenteil, der Dunst lässt alles schweben.
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