
Es gibt solche und solche Dienstreisen. Viele sind nicht unbedingt Vergnügungssteuer-pflichtig. Nur stressige Ortswechsel bei mittlerweile minimiertem Reisebudget und äußerst überschaubarem Lust-Faktor – überwiegend indoor bei Konferenzen, Kongressen oder Kundendienst-Verpflichtungen.
Aber es gibt auch dienstliche Trips, vor allem in der touristischen Industrie, und dort vorzugsweise auf der Veranstalter-Seite, die zumindest beim geneigten aussenstehenden Leser einen gewissen Neidreflex auslösen.
Hotel-Besichtigungen und Zielgebiets-Checks gehören dazu. Beides hat große Teile des verantwortlichen Veranstalter-Managements die letzten Monate – also nach der Pleite von FTI und einigen kleineren Playern – auf Trab gehalten. Wie man ja parallel auf unzähligen Postings in Sozialen Medien quasi live miterleben konnte.
Ein großer Veranstalter-Kuchen musste/durfte neu verteilt werden. Schließlich war FTI Nummer Drei in der Rangliste der professionellen Landverschicker. Da galt es für alle, nach der unmittelbaren ersten Hilfe für die gestrandeten Urlauber, sich neue Anteile am Reisemarkt zu sichern.
Genau dieses ist aber kein reines Zahlengeschäft mit Schachern um Zimmerraten, sondern, wie so vieles in der Touristik, ein menschelndes Aufbauen neuen Vertrauens. Da gibt es viele Kuschel-Gespräche mit Hoteliers und viele gemeinsame Prösterchen auf der Resort-Terrasse.
Ach bei der TUI wurden natürlich fleißig die Dienstreise-Koffer gepackt und Hotels und Zielgebiete bereist. Der Platzhirsch der Branche war zwar von seinem Angebot und Preis her überwiegend in einem anderen Segment des touristischen Marktes führend als FTI – aber angesichts der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kann man es sich in Hannover einfach nicht mehr leisten, weiter nur den Ruf des Reiseonkels für die Besser-Verdienenden zu pflegen.
Neues Credo: Urlaub mit der TUI hat man sich jetzt auch verdient, wenn das Guthaben-Konto gar nicht so dicke ist, oder gleich eine große, preissensible Familie in Ferien fahren möchte.
Dabei ist bereits die aktuelle Sommersaison vom Umsatz her wirklich so gut gelaufen, wie geschnitten Brot. Dazu noch die besten Herbstferien aller Zeiten. Fast 14 Prozent plus hat man in den Eingangs-Büchern. Vielleicht wäre es sogar noch mehr gewesen. Aber die Entschädigungszahlungen des Reise-Sicherungsfonds für die FTI Kunden waren zwar versprochen – nur eben noch nicht ausgezahlt. Und etliche Menschen mit gekündigtem Urlaubsvertrag hatten schlicht nicht so viel auf der hohen Kante, dass sie sich mal eben so neben dem schon bezahlten – aber noch nicht rückerstatteten – FTI Urlaub eine zweite Buchung leisten konnten.
Das richtige Plus wird sich also erst jetzt in der Wintersaison und vor allem im Sommer kommenden Jahres herausarbeiten. TUI zum Beispiel stockt das Angebot um rund 400.000 zusätzliche Urlaubsmöglichkeiten auf. Davon alleine 120.000 in der Türkei, 40.000 auf den Balearen und Ägypten, 30.000 in Griechenland und 15.000 auf den eh schon starken Kanaren. Angesichts des bestehenden buchbaren Umfangs bedeutet das ein stolzes Wachstum von rund 10 Prozent allein im Angebot.
Und es bedeutet auch das schon angesprochene Erweitern der DNA des Marken-Brands. Viele dieser neuen Angebote decken das frühere Portfolio von FTI ab. Vorbei die Zeiten, da ungeschrieben 4 Sterne mandatory waren, um überhaupt das TUI-Schild neben die Rezeption schrauben zu dürfen. Die Realität heute ist eine andere. Und auch ein Zeichen des Wunders, dass trotz der wirtschaftlichen Hiobsbotschaften speziell die touristische Industrie gerade so ein Comeback feiert.
Ungeachtet der politischen Scharmützel um die EU-Reform der bereits reformierten Pauschalreise-Richtlinie erwarten die Touristiker für 2025 wieder ein Jahr der Rekorde. Der Appell, frühzeitig zu buchen, wenn man bestimmte Hotels, vielleicht sogar bestimmte Zimmer haben möchte zum Wunschtermin, scheint mehr zu sein, als das altbekannte Marketing-Geklingel, um den Buchungsreflex rund um die Weihnachtstage herum zu beflügeln. Last Minute gab es zwar dieses Jahr – eben wegen FTI und der auf einmal vorhandenen Angebots-Schwemme. Aber niemand möchte sich heute vorstellen, dass es absehbar noch einmal zu so einer Situation im Veranstaltermarkt kommt.

