Renitenter Anmeldebildschirm, TUI-Boss, der an mir vorbei guckt, Seite gar nicht erreichbar mehr. ITB-now Erfahrungen

ITB – Ich bin dann mal weg
Technisch und inhaltlich blutleer

Wahrscheinlich sind das jetzt böse, verfrühte, ungerechtfertigte „100 Zeilen Hass“. Aber ich bin ausgelaugt. Und das bereits nach einem halben Tag ITB now. Ja, ich kann mir vorstellen, dass es technisch eine Herausforderung ist, einen digitalen Kongress zu installieren. Und wahrscheinlich werden die ITB Informatiker, die mittlerweile schweissnass vor ihren Monitoren sitzen mit Red Bull und irgendwelchem ungesunden Fastfood, mir und euch auch sehr logisch erklären können, warum das so angepriesene System permanent in die Knie geht, gehen muss, zumindest nach Nerd-Logik. Gleichwohl, ich habe noch irgendwie in Erinnerung, dass man vor nicht all zu langer Zeit stolz getönt hat, man hätte das non-plus-ultra der Amazon-Cloud-Dienste eingekauft mit Phantastilliarden an Gigabyte Stream-Kapazität – also den Daten-Highway für Flotten von Lamborghinis, die flink zwischen Kongress-Panel-Veranstaltungen, Cafés, Brand-Boards, Networking und was weiss ich herumhuschen wollen.

Also mein Erlebnis – obschon High-Speed-Access mit Kabelmodem und iMac Pro Ausstattung – war bisher (wenn man mal die letzte Woche außen vor lässt, wo man noch in den komplett leeren digitalen ITB-Hallen sich verlieren konnte) eher die einer Dauerbaustelle.

Ich weiss schon gar nicht mehr, wie oft mich das System schon herausgeworfen hat. Invalid Access. Wie oft ich brav nach einer neuen vierstelligen Nummer angefragt habe, um mir dann nach ihrer Eingabe sagen zu lassen, ungültiger Code… wie enttäuscht, unruhig und zunehmend wütend ich nach wenigen Minuten Zuhörens auf einer Stage wieder herausgekickt wurde, um draußen vor der ITB-now Tür erneut in einer Entwürdigungs-Zeremonie vergleichbar zu einem ignoranten Berghain Türsteher um Einlass betteln zu müssen. Es ist so ein waste of time!

Ja, und dann die Inhalte. Tobias Woitendorf und seine Mannschaft aus Mecklenburg-Vorpommern hat es als erste auf der PK-Bühne morgens um 10 wahrscheinlich am schlimmsten gebeutelt, dass sie da tapfer daheim ein schönes Sendestudio gebastelt hatten, aber die Pressekonferenz aller Wahrscheinlichkeit ins Leere senden mussten. Ich habe wenigstens noch die Verabschiedung mitbekommen und das kecke Winken in die Kamera vom Minister. Nun muss ich sagen, das sah wenigstens alles sehr propper aus. Gutes Licht, guter Ton, hoffentlich – leider leider nicht mitbekommen – auch gute Inhalte.

Aber dann die ersten Stage-Erfahrungen. Der biggest Boss of Tourism, Friedrich Joussen, Chef der TUI, im Gespräch mit einem Phocuswright Menschen, der wohl in den USA sass. Der Arme, für ihn war es also 5 Uhr morgens, oder noch früher, was man ihm irgendwie ansah, versuchte sich in unjournalistisch-unterwürfigem Smalltalk. Fragequalität ungefähr auf dem Niveau von Fox-News, wenn sie dieser Selbstbräuner-Katastrophe aus dem Weissen Haus immer Sendezeit schenkten. Und Friedrich Joussen? Ich meine, gibt es da niemanden in der riesig großen Kommunikations-Stabstelle, der Standing und Kompetenz hat, Godfather bildlich so zu inszenieren, dass er nicht wirkt, wie der Opa aus einem StartUp? 

 

Kleine Tipps, wie man sich vor der Webkamera besser inszeniert: https://wasmitreisen.com/zoom-aus-der-messie-gruft/

 

Aber, ob es nun Fritz Joussen war, oder Sören Hartmann von der DER Touristik (sorry Sören, vielleicht lag es auch an der Kamera bei Euch, aber die scheinbar monatelange, fitnessfreie Zeit  war optisch schon irgendwie irritierend…) – alles, was ich heute auf der ITB-now-Convention Stage ertragen habe, hatte so gut wie keinen Schlagzeilen-Index und wurde so lümmelig, unlustig amateurhaft gestreamt, dass das Ausharren vor dem Monitor mehr schlauchte, als das sicher nicht unanstrengende Flanieren durch die Messehallen in besseren Tagen.

Also mal digital ein wenig weg vom Kongress – wo es mir übrigens bis heute nicht gelingt, die Gespräche, die ich sehen möchte, in meinen persönlichen Kalender eintragen zu können – hin zu den Cafés. Oh wie ärmlich. Niemand daheim. Irgendwelche Werbe-Posts am Message-Bord wie hingekritzeltes Zeug an der Wand einer Autobahn-Toilette. Gefühl eines Rundgangs an einem normalen ITB-Sonntag, wenn auf den Ständen schon gähnende Leere herrscht.

Networking vielleicht? Wer wird mir denn da vorgeschlagen? Na, ein paar übliche Verdächtige, die ich eh kenne aus der deutschen Journalisten-Szene, und dann eine Unzahl von – sicherlich netten – Menschen, wo ich nicht die geringste Idee habe, welchen Algorithmus der ITB-Computer da verwandt hat, um sie mir näher zu bringen. Mehr noch, wenn man bereits gefühlt 200 Portraitbilder durchgescrollt hat und mal auf eines klickt, um ein paar mehr Informationen zu bekommen, und dann gerne zurück möchte zum Fortsetzen des ITB-Tindr, gibt es eine böse Überraschung. Man kann nicht fortsetzen, sondern – nach vielen Sekunden Warterei – baut sich die Kachelseite wieder von ganz vorne auf. Kreisch.

Jetzt bin ich weg. Weil zumindest mir als Fachjournalist immer weniger einleuchtet, was ich in der digitalen Variante der ITB suchen und finden kann. Wir wollen Inspiration für journalistische Arbeit, Kontakte, gemeinsames Ideenfinden für künftige Projekte, ja, auch ein bisschen soziale Wärmestube. Nichts davon habe ich heute gespürt. Ok, es hat gereicht, um diesen Artikel von der Seele zu schreiben. Aber das ist bestimmt nicht im Sinn von David Ruetz und seinem Team, das wahrscheinlich schon am Rande des Nervenzusammenbruchs ist. Sorry.

 

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