Einmal im Jahr wird zum politischen Hochamt der Touristik in Berlin gerufen: Zur „gut, dass wir mal drüber reden“-Veranstaltung namens Tourismus-Gipfel; natürlich standesgemäß für die gastliche Branche im Adlon am Brandenburger Tor. Dieses Mal Lorbeerkranz inklusive: es war der 25. Gipfel.
In der Regel ist die Veranstaltung des BTW ein gediegenes Klassentreffen der Mover & Shaker innerhalb der Jahrestournee all der Branchen-Kongresse und Tagungen – allerdings mit einer besonderen Garnitur: Die Poltische A-Klasse kommt durchaus gerne als Keynote-Speaker. (Wahrscheinlich, weil sie wissen, dass sie ein durch und durch höfliches Publikum haben…) Win-Win. Denn die Promi-Dichte streichelt natürlich auch die Seele der Touristik, deren Führungspersonal permanent argwöhnt, von den politischen Playern oft als quasi Tingeltangel-Branche ohne echten Mehrwert für die Gesellschaft nicht so richtig ernstgenommen zu werden.
Die aktuellen Rahmenbedingungen in diesem Wirtschaftssektor, der mit fast drei Millionen Arbeitsplätzen und vier Prozent Brutto-Wertschöpfung ein wahrer Sitzriese ist, sind hinlänglich bekannt: Wir erleben gerade ein Aufrappeln nach Corona, Krieg und Wirtschaftskrise. Optimisten schätzen, dass am Ende des touristischen Jahres in den Kassenbüchern der meisten Akteure wieder die bisherige Highlight-Zahl von 2019 verbucht werden kann. Und das, obschon sich derzeit zusätzlich 14 Prozent mehr der Deutschen Urlaub einfach nicht mehr leisten können. Es ist ein Gap der leider immer sichtbarer wird. Das jahrzehntelange Credo der Branche „Reisen für alle“ ist derzeit für viele ein unerfüllbarer Claim.
Und da muss man natürlich auch auf Teilbereiche der Touristik ganz besonders schauen. Die Hotellerie zum Beispiel und die Gastronomie. Kost und Logis, die Herzkammern eines guten Tourismus. Da dräut national noch ein dickes Minus in den Bilanzen. 13 % weniger Übernachtungsgäste in deutschen Hotels und 19 % weniger Gastronomie-Umsatz. In diesem Bereich kommt das Unglück zusammen: höhere Kosten, höhere Steuern, weniger Personal und zudem weniger internationale Gäste, die den Weg zu uns finden.
Aber neben dem Dehoga hadert auch der Luftverkehr mit der Politik. Die ökologisch sicher gut begründbare, aber zu schnell umgesetzte Luftverkehrsabgabe beschert Airlines und Veranstaltern aktuell Millionenverluste, weil zumindest die anständigen Geschäftsleute (und nicht wie Ryanair) die plötzlichen Verteuerungen bei den Menschen, die bereits gebucht hatten, nicht mehr einfordern wollen. Und mittelfristig? Da ist die Abgabe alles andere als ökologisch, weil viele Tickets vor allem für die Fernreise nun mit Umweg über nahe außereuropäische Drittstaaten gebucht werden dürften, des Preises wegen. Also keine Kerosin-sparenden Point-to-Point Verbindungen, sondern Umwege und Zeitverlust wegen des letztendlich immer entscheidenden Preisvorteils.
Und auch die Veranstalter gehen schon mal vorsichtshalber in den Klage-Modus wegen der geplanten Novellierung der Pauschalreise-Richtlinie, die dem Verbraucher noch mehr Rechte zusichern möchte (und wer wollte das wenig populär kritisieren?), aber gleichzeitig die touristischen Player in eine Haftungszange nimmt, die logischerweise in höheren Preisen münden müsste – mit vielleicht noch mehr Menschen, die sich für Balkonien entscheiden.
Gerade an diesem Punkt merkt man unschön, dass deutsche Probleme selten europäische sind. Erinnern Sie sich noch an das Waldsterben, unsere Panik und die relative Ignoranz vieler europäischer Partner? Klar, Deutschland hat Wald, viel Wald, die anderen nicht. Hier und heute: 41 % aller Pauschalreisen in Europa – werden von Deutschen gebucht. Außerhalb unseres Landes ist diese Reiseform eher exotisch mit gerade mal 13 Prozent der Buchungen eurpoaweit. Warum sich also aufregen, fragt man sich im Europaparlament, wenn man doch so Medien-affin Verbraucherschutz pur fordern könnte? Immer gerne als politische Robin-Hood-Attitüde für die Wähler-Motivation…
Also wie schon gesagt, die Gemengelage im Tourismus ist bekannt. Mellow-mäßig würde man sagen. Wie gut, dass der geladene Wirtschaftsminister Instinkt-sicher da die Rolle des Motivations-Coaches für sich entdeckt. Robert Habeck weiss natürlich, dass er als Regierungsmitglied nichts zu verschenken hat (im Gegensatz zu dem ebenfalls geladenen CDU-Mann Spahn, der unbekümmert Ampel-Bashing betreibt und davon faselt, der Wirtschaft – auch der Tourismus-Industrie – wäre es noch nie so gut gegangen, wie zu CDU Zeiten; verschweigend, dass all die strukturellen Probleme heute nur deshalb so drücken, weil die CDU jahrelang Rendite über Reparatur stellte..)
Habeck also gibt lieber den Gute Laune Bären und beschwört die Teilnehmer, Lebensfreude, Spaß und Freiheit mehr in den Mittelpunkt der Eigen-Analyse zu stellen, anstelle alles mies zu reden. Reisen sei schließlich mehr als Ballermann – optimal sogar eine politische Haltung, weil sie Krisen trotze und Abschottungen, weil sie bessere Einkommen bei den Bereisten schaffe, verhindere, dass aus Vorurteilen Urteile würden, und letztendlich auch eine feste Säule für die deutsche Wirtschaft sei, eine Kraft-Welle.
Habeck im Feel-Good Rausch, schwärmend vom politischen Wohlstand, den das Reisen beweise. Die Selbstbelohnung als Verdienst, für den man sich nicht verschämt weg ducken müsse. „Sie haben es sich verdient“- Hat der Minister da etwa sich bedient bei einem Player aus Hannover und seinem bisher schönsten Werbe-Claim?
Fehlte nur noch der Sonnenstrahl auf dem Rednerpult. Das ist das Gipfel-Gefühl halt, wenn man doch höchstamtlich bescheinigt bekommt, dass die gesellschaftliche Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden könne seitens der Politik . Gut, dass wir mal wieder drüber geredet haben bei Sekt und Häppchen.